Text von Ueli Schwarz, Header-Fotos: Ivan Sokolov / Peter Eggimann
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Um es gleich vorwegzunehmen, ich kann und will mich nicht auf einen genauen Rang festlegen. Die Schlussplatzierung hängt von so vielen, über fünf Monate hinweg verteilten und unvorhersehbaren Konstellationen ab, dass eine genaue Prognose eher in die Sparte "reines Glücksspiel" gehören würde… und da bin ich schlecht.
Mindestens acht Clubs mit entsprechenden Budgets erwarten sich selber in den Top 6. Die restlichen sechs Clubs und diejenigen die es nicht in die Top 6 schaffen, wollen alle die Top 10 avisieren und Letzter oder Vorletzter will schon gar niemand werden.
Zudem gab es noch praktisch in jeder Saison positive und negative Überraschungen. Es kann und wird nicht überall eitel Sonnenschein herrschen! Genau das macht ja die National League so spannend, aber eben auch schwierig zu prognostizieren.
Jedes Kader hat aber ein bestimmtes Potential, die Organisationen stehen in unterschiedlichen Entwicklungsphasen und die angepackten Veränderungen auf Grund der letztjährigen Saisonanalyse lassen aber eine Prognose für den realistischen Fall, den besten, aber auch für den schlechtesten Fall zu.
Ausgangslage
Die beiden Teams sind auf Grund ihrer limitierten Möglichkeiten in der zweiten Tabellenhälfte anzusiedeln. Der HC Ajoie will und muss sich für das eigene Image und dasjenige der Liga endlich mal besser «verkaufen» als als abgeschlagener Tabellenletzter. Zu Hoffnung gibt Anlass, dass die Jurassier in der zweiten letzten Saisonhälfte den Anschluss an die Konkurrenz etwas besser gefunden haben. Dem HC Ambri Piotta steht ein sicherlich besseres Kader zur Verfügung. «10-8-12-10-11»– das ist kein Sicherheitscode, sondern die Ränge der Tessiner in den letzten fünf Saisons. Das zeigt auf, dass Ambri ausser sie spielen eine alles überragende Saison in einen harten Kampf um die Play In`s verwickelt ist, mit wenig Marge nach hinten.
Ich schätze die Möglichkeiten der beiden Clubs folgendermassen ein:
HC Ajoie – Analyse & Prognose
Einstufung & Herausforderungen
Vier Saisons hintereinander war Ajoie das klare Schlusslicht der Liga. Es gibt kaum stichhaltige Gründe dafür, dass sich das ändern wird, ausser dem letztjährigen Andeuten von Fortschritten gegen Schluss. Jede Klassierung besser als Rang 14 und ein Mithalten mit Rang 13 oder 12 wäre deshalb schon ein Erfolg. Ajoie verfügte letztes Jahr wie auch dieses Jahr über enorm effiziente Ausländer. Die Liga ist aber zu gut, damit sie alleine die Differenz machen können. Der nächste Schritt der Etablierung in der Liga wird aber viel abverlangen und führt fraglos über die Schweizer Spieler, die die Ausländer sowohl defensiv als auch offensiv wirkungsvoller entlasten müssen. Am Willen wird es nicht liegen, eher an der Erfahrung oder halt eben am Talent. Dass man aber gegen die Jurassier jeden Abend auch verlieren kann, haben mittlerweile schon fast alle Teams erlebt…
Realistischer Fall: Rang 13
Ajoie kann dieses Jahr länger mithalten und darf hoffen, im fünften NL-Jahr erstmals nicht die ganze Saison auf Rang 14 zu verbringen. Im März jedoch wird man realistischerweise aber trotzdem die Playouts bestreiten müssen, denn die Wahrscheinlichkeit, zwei Konkurrenten hinter sich zu lassen, ist schwierig vorstellbar. Der realistische Fall für die Jurassier kann dann eintreten, wenn:
- andere Teams der Liga schlecht starten und in eine Krise stürzen
- Ajoie zu Saisonbeginn im Gegensatz zum Vorjahr sofort überzeugt und den Tritt findet
- Ireland und sein Staff die erkennbaren Fortschritte der Vorsaison bestätigen und das Team – insbesondere die Schweizer Fraktion – weiterentwickeln können
- Ireland und sein Staff die Defensive deutlich verbessern. Ein Minus-Toreschnitt aus dem Vorjahr von 3.62 pro Spiel genügt nicht und würde bedeuten, dass die Offensive mit 3–4 Plus-Toren pro Spiel so spitzenmässig produzieren müsste, wie es selbst die besten NL-Teams nicht schaffen...
- zu Hause mindestens 1.5 Punkte pro Spiel und auswärts mehr als die bescheidenen 0.5 Punkte pro Spiel geholt werden
- die Jungen, die Newcomer und «Spätzünder» so gedeihen, wie es erhofft wird und notwendig wäre, damit die qualitative Kadertiefe nicht zu limitiert bleibt
Bester Fall: Rang 12
Im allerbesten Fall finden die Playouts im Frühjahr 2026 ohne Ajoie statt. Das kann eintreten, wenn:
- die Torhüter Conz und Ciaccio beide die beste Saison ihrer Karriere spielen
- die Ausländer Frimann, Honka, Bellemare, Turkulainen, Nättinen, Hazen und Devos statt wie letztes Jahr zusammen 75 % dieses Jahr gar 80 % der Jurassier-Tore oder mehr als 100 Tore erzielen und gleichzeitig auch defensiv gegen die besten Gegenspieler einen Top-Job verrichten können. Eiszeiten um die 20 und mehr Minuten pro Spiel und Spieler werden dafür wohl nötig sein
- die Schweizer Spieler im Kader deutlich mehr als die letztjährigen 29 Tore zustande bringen und Kilian Mottet sich selber, Fribourg und der ganzen Liga zeigt, dass er alleine 15–20 Tore erzielen kann
- Junge wie Arno Nussbaumer, Christophe Cavalleri, Lilian Garessus, Louis Robin, Emils Veckatkins oder Newcomer aus der Swiss League wie Yonas Berthoud (2000) grosse Entwicklungsschritte hin zu zuverlässigen und unverzichtbaren Stammspielern machen
- Kyen Sopa und Elvis Schläpfer zeigen als «Spätzünder», dass sie nach einigen bisherigen Anläufen grössere Rollen über eine ganze Saison einnehmen können und echte NL-Stammspieler sind
- es Ajoie schafft, die miserable Punkteausbeute auswärts (mit nur 13 Punkten wie im Vorjahr ist kein Blumentopf zu gewinnen...) bei minimal gleichbleibender Heimstärke mindestens zu verdoppeln
- zwei der anderen NL-Clubs eine Krisensaison einziehen
Schlechtester Fall: Rang 14
Ajoie bleibt Letzter, verliert schon im Herbst den Anschluss an die Konkurrenz und muss sich monatelang auf die Playouts fokussieren. Das kann eintreten, wenn:
- der Saisonstart nicht gelingt
- die Torhüter mittelmässig agieren
- nicht das ganze Team die Defensivverantwortung voll wahrnimmt und man einfach auf "offensive Ausländerwunder" hofft
- Bellemare, Hazen und Devos ihren Jahrgängen Tribut zollen und nicht mehr jeden Abend 20 Minuten top leisten können
- die Abhängigkeit von den Ausländern und vom starken Powerplay noch extremer ist als bisher
- Verletzungssorgen und ausbleibende Entwicklungsschübe der Jungen, der Newcomer und «Spätzünder» die ohnehin mangelnde qualitative Kadertiefe stark verschärfen
- keine deutliche Steigerung der bisherigen und neuen Schweizer Spieler erfolgt
- die übrigen Teams einigermassen ihr Potenzial ausschöpfen können
Credits: Colin Girard
HC Ambri-Piotta – Analyse & Prognose
Einstufung & Herausforderungen
Die Spannweite der Prognose ist gross. Wieso? Nicht jedes Team mit weitaus mehr Möglichkeiten als die Tessiner wird die Top 6 erreichen und es gibt mindestens 4 andere Clubs, die mit Ambri durchaus auf Augenhöhe einzustufen sind. Details, Glück und Pech werden also im Gedränge um die Top 10 eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Wie schon öfter in der Clubgeschichte haben starke Ausländer die Leventina verlassen (allen voran nun Kubalik, aber auch Maillet) und müssen zuerst ersetzt werden. An den neu verpflichteten Petan und Joly wird es liegen, die Effizienz von Kubalik und Maillet vergessen zu machen. Der Umstand, dass man mit Wüthrich und Senn auf zwei Schweizer Goalies setzt, ermöglichte die Verpflichtung von Tierney, der aber vor allem mit seinen Zweiwegqualitäten überzeugen muss. Meistens hat genau die Besetzung der Ausländerpositionen darüber entschieden, wie viel Freude oder eben Melancholie sich in der Leventina breit macht. Die nie fehlende Leidenschaft, der Stolz und die Bescheidenheit werden auch 2025/2026 das Fundament bilden. Viel Marge – weder nach oben in der Tabelle noch nach unten – hat der Club nicht.
Realistischer Fall: Rang 9 bis 11
Ambri landet auf Rang 9 oder 10, was angesichts der vielen Teams mit denselben Ambitionen kein Selbstläufer ist. Auch Rang 11 oder 12 sind aufgrund der enormen Ausgeglichenheit realistisch und können von Details abhängen. Der realistische Fall kann eintreten, wenn:
- der Strategiewechsel weg von einem ausländischen Goalie hin zu den zwei Schweizern Senn und Wüthrich und einem sechsten ausländischen Feldspieler aufgeht
- die beiden Marathon-Verteidiger Heed und Virtanen ähnlich überzeugend auftreten wie letztes Jahr
- Tierney, Petan und Joly die Produktivität der Abgänger Kubalik & Maillet mit gemeinsam mindestens 42 Saisontoren kompensieren oder übertreffen können
- DiDomenico seine Pace aus dem Vorjahr mit mehr als einem Scorerpunkt pro Spiel halten kann
- die letztjährigen Aufsteiger (Landry, Müller, Dario Wüthrich) sich weiterhin sehr positiv entwickeln und der eine oder andere Junge einen erfreulichen Entwicklungsschub machen wird
- Ambri heuer im Vergleich zum Vorjahr etwas weniger kaltschnäuzig jeweils kurz vor Spielende, in der Overtime oder im Penaltyschiessen trifft und Punkte in extremis rettet. Gerade diesbezüglich werden wohl Maillet/Kubalik (zu) grosse Fusspuren hinterlassen
Bester Fall: Rang 8
Ambri belegt Rang 8 und bestätigt damit das Vorjahresergebnis – auch wenn sich die emotionalen Tifosi Rang 7 oder gar 6 erträumen. Möglich wird das, wenn…
- einige direkte Konkurrenten (Lakers, Kloten, Tigers, Biel und fast schon traditionell 1–2 der finanzstarken Teams) deutlich underperformen und Probleme haben
- sich die beiden Schweizer Goalies gegenseitig zu regelmässigen Höchstleistungen pushen
- Petan, Di Domenico und Joly offensiv effizient zaubern und ihnen Tierney den Rücken freihält und gegen die besten Gegner besteht
- Bürgler, Heim, Pestoni, Zwerger und Landry alle mehr als 10 Tore schiessen, was letztes Jahr nur Landry und Bürgler gelang
- Tommaso de Luca nach einer eher stagnierenden Saison wieder so effizient ist wie in seiner Debut-Saison mit 11 Toren
- Heed und Virtanen von Dario Wüthrich, Jesse Zgraggen, Simone Terraneo, Rocco Pezzullo und den Dotti-Brüdern so entlastet werden, dass die beiden Verteidigungsdirigenten ihre Energie vermehrt auf die Schlüsselmomente eines Spiels kanalisieren können
- Ambri mehr als bescheidene 12 Siege nach 60 Minuten erringen kann
- wenn die Ausbeute in den Overtimes und im Penaltyschiessen gehalten wird (14-mal wurde letztes Jahr so ein Zusatzpunkt gewonnen!)
- Junge wie Luc Bachmann, William Hedlund, Tommaso Madaschi und Tim Muggli mindestens auf dem Vorjahresniveau von Miles Müller aufspielen
Schlechtester Fall: Rang 12 bis 14
Ambri stürzt auf Rang 13 oder 14 ab und muss in die Playouts. Das kann eintreten, wenn:
- die Umstände ganz speziell sind
- Ajoie in der 5. NL-Saison über sich hinauswächst und Ambri selber eine wirklich problematische Saison spielt, während kein anderes Team, das sich auf Augenhöhe mit Ambri vergleichen lässt, gegenüber letztem Jahr einen starken Leistungsabbau verzeichnet
- man sinnlos lange über den Kubalik-Abgang lamentiert (man nehme sich ein Beispiel an den Lakers, die im Vorjahr den Abgang des als unersetzbar geltenden Cervenka kompensieren konnten…)
- Schlüsselspieler wie die Ausländer, Heim, Zwerger, Bürgler, Pestoni, die beiden Schweizer Goalies länger ausfallen oder das ihnen zugedachte Rendement nicht erreichen
- weder Miles Müller, noch Manix Landry oder Dario Wüthrich die Bestätigung der erfreulich starken letzten Saison gelingt und auch die anderen Jungen stagnieren
Credits: Simon Bohnenblust