Saisonprognose Teil 7: ZSC Lions und EV Zug

02.09.2025
Aktualisiert am 02.09.2025

Text von Ueli Schwarz, Header-Fotos: Felix Klaus / Melvin Bühler    
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Um es gleich vorwegzunehmen, ich kann und will mich nicht auf einen genauen Rang festlegen. Die Schlussplatzierung hängt von so vielen, über fünf Monate hinweg verteilten und unvorhersehbaren Konstellationen ab, dass eine genaue Prognose eher in die Sparte "reines Glücksspiel" gehören würde… und da bin ich schlecht.

Mindestens acht Clubs mit entsprechenden Budgets erwarten sich selber in den Top 6. Die restlichen sechs Clubs und diejenigen die es nicht in die Top 6 schaffen, wollen alle die Top 10 avisieren und Letzter oder Vorletzter will schon gar niemand werden.

Zudem gab es noch praktisch in jeder Saison positive und negative Überraschungen. Es kann und wird nicht überall eitel Sonnenschein herrschen! Genau das macht ja die National League so spannend, aber eben auch schwierig zu prognostizieren.

Jedes Kader hat aber ein bestimmtes Potential, die Organisationen stehen in unterschiedlichen Entwicklungsphasen und die angepackten Veränderungen auf Grund der letztjährigen Saisonanalyse lassen aber eine Prognose für den realistischen Fall, den besten, aber auch für den schlechtesten Fall zu.

Ausgangslage

Vor drei bis vier Jahren gehörten beide fraglos zu den Top-3-Teams der Liga. Während die ZSC Lions diese Einstufung eindrücklich bestätigt haben, hat sich der Himmel in Zug in den letzten zwei Jahren ab und zu doch leicht bewölkt. Im Gegensatz zum ZSC, der die Erwartungen souverän meisterte, geht es in Zug darum, wieder für mehr Sonnenschein zu sorgen. Mit einem Coachingwechsel und grossen, wohl nicht ganz billigen Rochaden auf den Ausländerpositionen versucht man, eine neue und wieder dominante Ära einzuleiten.

Ich schätze die Möglichkeiten der beiden Clubs folgendermassen ein:

Saisonprognose 7

ZSC Lions – Analyse & Prognose

Einstufung & Herausforderungen

Die ZSC Lions haben eine wahre Traumsaison hinter sich und es gibt keinen Grund dafür, dass sich das nicht wiederholen sollte. «Ihre» Saison spielt sich wohl erst wirklich ab Januar (CHL) und dann im Frühling (Playoffs) ab. Alles vorher dient als Vorbereitung auf «ihre» Saison.

Die fünf bisherigen Ausländer (Lehtonen, Fröden, Balcers, Grant und Hrubec) haben ihr Können in der Liga zur Genüge bewiesen und bilden mit Weber, Geering, Kukan, Hollenstein, Marti, Malgin und Andrighetto ein unglaublich starkes Rückgrat. Spieler wie Sigrist, Riedi, Baechler, Bader oder Trutmann können bei Ausfällen jederzeit nachrutschen und Lücken füllen. Dass traditionell auch der eine oder andere Junge durchstartet, ist auch heuer zu erwarten. Der stolze Slogan «Mir sind Züri» gilt fraglos auch in der neuen Saison.

Realistischer Fall: Rang 2 bis 3

Das kann zutreffen, wenn:

  • die Schlüsselspieler und in ihrem Sog neue Junge ihrer Reputation ohne Wenn und Aber gerecht werden
  • Sigrist, Riedi, Bader und Baechler mit ihren Leistungen dem Coach Kopfzerbrechen bereiten, wessen Eiszeit er zu ihren Gunsten kürzen muss
  • es egal ist, ob Robin Zumbühl oder Simon Hrubec im Tor steht – im Idealfall werden Hrubecs Starteinsätze so geschickt getimt, dass er im Januar (CHL) und dann im März/April (Playoffs) mit voller Frische seine bisherigen überragenden Leistungen erbringen kann
  • Weber, Kukan, Geering, Marti und Lehtonen so souverän verteidigen, dass Bünzli, Schwendeler und Ustinkov ohne Sorgenfalten viel Eiszeit erhalten können
  • Andrighetto und Malgin leistungsmässig wie zusätzliche Ausländer performen
  • Hollensteins Comeback für die ZSC Lions wie ein Königstransfer wirkt
  • der Ersatz oder ein anderer Aufsteiger im Kader den in die NHL abgewanderten Lammikko ebenso zäh, bullystark und bissig ersetzt wie der Finne es war – Andreoff wird das zumindest zu Beginn nicht sein, da er denkbar schlecht startete und sich bereits in der Vorbereitung schwer verletzte
  • der Coaching-Staff nicht nur «Saisonvergoldung», sondern auch «Saisonvorbereitung» kann
  • das Modell GCK Lions die nächsten Perlen nach oben liefert
  • sich Pontus Åberg – ein anderes, neues Profil als Andreoff-Ersatz – als passendes, technisch-läuferisches Element erweist und das Kader noch vielseitiger macht

Bester Fall: Rang 1

Das kann eintreten, wenn:

  • die direkte Konkurrenz zwar stark, aber letztlich nicht besser als die Lions spielt
  • das, was im realistischen Fall erwartet wird, auch grossmehrheitlich eintrifft

Schlechtester Fall: Rang 4

Dieses Szenario kann zutreffen, wenn:

  • drei Teams aus dem Kreis Lausanne, Fribourg, Zug, Davos oder Bern eine absolute Topsaison spielen
  • der Coaching-Staff in Sachen «Wie bereite ich ein Team auf eine lange Saison vor?» noch eine zweite Chance braucht
  • bewusst viel ausprobiert und nicht kurzfristig Punktejagd um jeden Preis betrieben wird, sondern mittel- und langfristiges Denken vorherrscht – indem konsequent Junge wie Schwendeler, Ustinkov, Bünzli, Segafredo, Olsson und wohl der eine oder andere mehr aus dem GCK-Lager mit grossen Rollen betraut werden und ihnen auch Fehler zugestanden werden
  • das Undenkbare denkbar wird – und die Limmat plötzlich südost- statt nordwestwärts fliesst
ZSC Lions

Credits: Melvin Bühler

EV Zug – Analyse & Prognose

Einstufung & Herausforderungen

In den letzten Jahren hat man Zug jeweils vor der Saison fraglos zu den Top-3-Teams und Titelfavoriten gezählt. Das hatte einerseits mit der Aura von Dan Tangnes zu tun, andererseits auch mit dem stets sehr edel zusammengestellten Kader. Irgendwie jedoch konnten die Innerschweizer diese Erwartungen nicht vollumfänglich erfüllen. Nun erfolgt auf diese Saison hin eine recht starke Zäsur mit gewichtigen Retuschen.

Da ist der Headcoach-Wechsel zum bisherigen Assistenten Michael Liniger – ein sehr besonnener, mittlerweile auch sehr ligaerfahrener Mann, der nun zum Chef wird. Er wird gefordert sein, sich genau zu überlegen, was er aus der Ära Tangnes weiterziehen will (er hat diese als loyaler Assistent mitgestaltet und -getragen) und in welchen Bereichen er neue, eigene Impulse setzen wird. Auch das Team ist gefordert: Es muss die neue Rolle Linigers akzeptieren, mit dem bisherigen Kapitel abschliessen und bereit sein, allfällige neue Herangehensweisen anzunehmen. Gelingt die «Tangnes-Emanzipation» mit einem Schritt in die nächste Ära?

Im Bereich der Ausländer wurde kräftig gemischelt. Die Idee mit drei ausländischen Verteidigern wurde gekippt: Nur Bengtsson blieb, Sklenicka ersetzt die zähneknirschend aus laufenden Verträgen ausbezahlten Hansson/Carlsson. In der Offensive trennte man sich ebenso vorzeitig vom letztjährigen Hoffnungsträger Olofsson und schlug dafür mit den Verpflichtungen der beiden hochkarätigen Offensivkünstler Kubalik und Tatar zu. Die Rückkehr von Raphael Diaz weckt Hoffnungen und Träume an erfolgreichere Zeiten. Demgegenüber dürfen die Abgänge von Simion sowie der aufstrebenden Biasca und Johnson nicht vergessen werden. Es ist also einiges neu und wird seine Zeit brauchen. Deshalb: «ein Team mit vielen Ausrufe- und Fragezeichen».

Realistischer Fall: Rang 4 bis 6

Das ist der Fall, wenn:

  • Schweizer Leistungsträger wie Diaz, Tobias Geisser, Stadler, Schlumpf, Herzog, Hofmann, Künzle, Martschini und Senteler allesamt gesund bleiben und ihr Potenzial abrufen
  • Genoni eine gewohnt sehr gute Saison spielt und man ihm dank solider Leistungen von Wolf auch genug Pausen einplanen kann
  • Kubalik und Tatar je gegen 20 Tore erzielen
  • Eggenberger, Sven Leuenberger und Riva dankbare Rollenspieler sind und jederzeit höhere Aufgaben übernehmen können
  • die Coaching-Crew die vorherrschende tschechisch-slowakische Mentalität und Denkweise besser handelt als zuvor die schwedische
  • Wingerli und Vozenilek damit leben können, als einer von sieben Ausländern auch mal überzählig zu sein
  • Kovar gesund bleibt, konstant seine Leistung abruft und damit Kritikern seines bis 2027 laufenden Vertrages den Mund stopft
  • die Jungen Balestra, Mischa Geisser, Antenen, Colin Lindemann und Loris Wey den Coaches stets die Gewissheit geben: «Bringt uns – wir können’s und ihr könnt euch auf uns verlassen.»

Bester Fall: Rang 3

Das kann eintreten, wenn:

  • Zug drei Teams aus dem Quintett Zürich, Bern, Lausanne, Fribourg und Davos hinter sich lässt
  • Zugs Leistungsschwankungen deutlich flacher ausfallen als zuletzt – starke Phasen waren top, aber die Ausschläge nach unten zu gross
  • Diaz, Tatar, Kubalik und Sklenicka sofort den Tritt finden
  • Zugs Leistungsträger – besonders auch Genoni – mehrheitlich gesund bleiben und ihr Potenzial voll ausschöpfen
  • alle Spieler mit Ende der Saison auslaufenden Verträgen dem GM Kläy jegliche Argumente nehmen, sie nicht hochdotiert zu verlängern
  • Kubalik und Tatar je 25 oder mehr Tore erzielen
  • Liniger und sein Staff die richtigen Knöpfe finden und drücken, weil das Kader gut genug für die Top 3 ist
  • der Teamarzt selten bis nie bei der Aufstellung mitreden muss
  • bei Ausfällen das Tangnes-Prinzip «One man up» mit Spielern wie Balestra, Wey, Antenen, Colin Lindemann oder Mischa Geisser sorgenfrei durchgezogen werden kann

Schlechtester Fall: Rang 7 bis 8

Das kann eintreten, wenn:

  • Zürich, Davos, Lausanne, Fribourg, Bern oder auch Servette bzw. ein Überraschungsteam eine sehr gute Saison spielen – dann wird es für Zug eng
  • Zug zu lange seinen neuen Stil sucht und suboptimal in die Saison startet
  • bezüglich der vielen, nach der Saison auslaufenden Verträge von Leistungsträgern wie Herzog, Senteler, Künzle, Eggenberger, Diaz und Schlumpf Unruhe entsteht
  • das Team ein drittes inkonstantes Jahr in Folge abliefert und im erfolgsverwöhnten sowie selbstbewussten Zug belastende Unruhe einkehrt
EV Zug

Credits: Felix Klaus

Weitere Saisonprognosen

Hier geht’s zu den weiteren Saisonprognosen:

Teil 1: SC Bern & EHC Biel-Bienne
Teil 2: HC Ajoie & HC Ambri-Piotta
Teil 3: HC Davos & HC Fribourg-Gottéron
Teil 4: Genève-Servette HC & EHC Kloten
Teil 5: SCL Tigers & Lausanne HC
Teil 6: Rapperswil-Jona Lakers & HC Lugano