Saisonprognose Teil 4: Genève Servette HC und der EHC Kloten

26.08.2025
Aktualisiert am 26.08.2025

Text von Ueli Schwarz, Header-Fotos: Ivan Sokolov / Reto Turotti      
-

Um es gleich vorwegzunehmen, ich kann und will mich nicht auf einen genauen Rang festlegen. Die Schlussplatzierung hängt von so vielen, über fünf Monate hinweg verteilten und unvorhersehbaren Konstellationen ab, dass eine genaue Prognose eher in die Sparte "reines Glücksspiel" gehören würde… und da bin ich schlecht.

Mindestens acht Clubs mit entsprechenden Budgets erwarten sich selber in den Top 6. Die restlichen sechs Clubs und diejenigen die es nicht in die Top 6 schaffen, wollen alle die Top 10 avisieren und Letzter oder Vorletzter will schon gar niemand werden.

Zudem gab es noch praktisch in jeder Saison positive und negative Überraschungen. Es kann und wird nicht überall eitel Sonnenschein herrschen! Genau das macht ja die National League so spannend, aber eben auch schwierig zu prognostizieren.

Jedes Kader hat aber ein bestimmtes Potential, die Organisationen stehen in unterschiedlichen Entwicklungsphasen und die angepackten Veränderungen auf Grund der letztjährigen Saisonanalyse lassen aber eine Prognose für den realistischen Fall, den besten, aber auch für den schlechtesten Fall zu.

Ausgangslage

Die beiden Clubs waren letzte Saison zwei der grossen Überraschungen der Liga. Während Genf nach zwei gemessen am Potential sehr enttäuschenden Saisons eine grosse Negativ-Überraschung bildete und nun entsprechend eine unbedingte Wiedergutmachung anstrebt, geht es für die letztjährige ganz grosse positive Überraschung Kloten darum, die Bestätigung zu erbringen.

Ich schätze die Möglichkeiten der beiden Clubs folgendermassen ein:

Prognose 4

Genève Servette HC – Analyse & Prognose

Einstufung & Herausforderungen

Diese Einstufung mag nicht gerade mutig und vor allem nach hinten erstaunlich sein. Das hat den Grund darin, dass Servette im Schnitt der letzten drei Jahre die «Sphinx» der Liga war. Einerseits wurde man Regular-Season-Gewinner, gewann national und international prestigeträchtige Titel, andererseits bildeten die beiden letzten Regular Seasons mit den Rängen 10 und 12 herbe Enttäuschungen – und dies mit jeweils papiermässig sehr starken und im Kern unveränderten Kadern.

Das erklärt, wieso die Spanne der möglichen Ränge so gross ist. Diese schwer erklärbaren Schwankungen kosteten letztlich dem Baumeister der beiden Titel – Jan Cadieux – den Job. Zu Servettes Ehrenrettung muss eingestanden werden, dass die Verletzungshexe sehr oft Les Vernets heimsuchte.

Die Trennung von den Eckpfeilern Hartikainen und Vatanen – auch sie wiesen in den letzten drei Jahren grosse Leistungsunterschiede auf –, die komplett neu zusammengestellte Coaching-Crew, der Zuzug von drei Powerstürmern (Beck, Puljujärvi und Vesey), das Abwerben von Saarijärvi und Tim Bozon bei der Konkurrenz, die mögliche nächste Einbürgerung in der Person von Jason Akeson, der Fakt, dass Captain Rod nach einer ganzen verletzungsbedingten Saison wieder eingreifen kann, die bereits erfolgte Verpflichtung des Defensivdirigenten Jan Rutta (mit der das Team über sieben Ausländer von Format verfügt und damit taktische Varianten besitzt) sowie die Heimkehr des letztjährigen, alles überragenden Goalies Stéphane Charlin lassen vermuten, dass Genf vehement antworten und zurückkommen wird.

Auf dem Papier sieht das erneut sehr stark – wenn nicht noch stärker – aus. Nur haben wir gelernt, dass man deswegen nicht sicher sein kann, denn das Team war auch vorher nie viel schlechter besetzt und lieferte trotzdem nicht… gelingt heuer die standesgemässe Korrektur?

Realistischer Fall: Rang 7 bis 10

Das kann eintreten, wenn:

  • Charlin dem Team im Tor wesentlich mehr Konstanz gibt als die vorgängigen Nummern 1 Mayer, Olkinuora oder Raanta
  • Saarijärvi deutlich stabiler spielt als der zuletzt fahrige Vatanen und die taktische Möglichkeit besteht, mit dem erfahrenen Rutta die quantitativ nicht sehr breite Verteidigung zusätzlich zu verstärken
  • Beck, Puljujärvi und Vesey so effizient spielen, dass Hartikainen nicht vermisst wird
  • Schweizer Leistungsträger wie LeCoultre, Richard, Karrer, Hischier und Miranda sich deutlich steigern und ihr Geld wert sein werden
  • Praplan, Berni, Chanton ihre letzte individuell gute Saison mindestens bestätigen, Dave Sutter seine Form aus Fribourg mit nach Genf bringt und Rod zu alter Form findet – dann hätte Servette einen Schweizer Kern, der zu den besten der Liga gehört
  • die Ausländer die Erwartungen einigermassen erfüllen

Bester Fall: Rang 5 bis 6

Das kann eintreten, wenn:

  • Charlin gleich gut oder noch besser als in seiner Durchbruchssaison in Langnau hält
  • keine Schweizer mit Renommée durch schlechte und unkonstante Leistungen auffallen, sondern liefern, wofür sie bezahlt sind
  • Treille und seine Coaches die Leistungsbereitschaft und Einstellung des gesamten Kaders im Griff haben
  • Puljujärvi, Beck und Vesey punkto Scorerwerte Manninen und Granlund in nichts nachstehen – dann hätte Servette eine der produktivsten Offensiven überhaupt
  • Akeson rasch Schweizer wird und nicht den sieben «echten» Ausländern einen Platz streitig macht
  • Akeson, Jooris und Pouliot wie drei starke zusätzliche Ausländer spielen – als 7., 8. und 9. auf dem Matchblatt
  • Spieler wie Schneller, Chanton, Verboon und die jungen Lizenzschweizer Ignatavicius und Jukna so gut spielen, dass sie grossen Namen in der Hierarchie den Platz streitig machen

Schlechtester Fall: Rang 11

Dieser gemessen an den Voraussetzungen fast schon absurde Gedanke kann eintreten, wenn:

  • es in Genf schnell zu Trainerdiskussionen kommt – einerseits weil Treille das Ruder auch heuer nicht herumreissen kann, andererseits weil mit Peltonen ein «Schatten-Headcoach» «nur» Assistent ist
  • in Genf fast so früh wie letztes Jahr in Fribourg der neue Headcoach ab 2026 offiziell zelebriert wird und dieser sich gerne bereits medial in Szene setzt
  • der Start nicht gelingt und man Hartikainens oft sehr wichtige Tore nicht kompensieren kann
  • der nachlässige Teamgroove (abgesehen von einigen wenigen Spielern, die auch zuletzt ablieferten) nicht einer entschlossenen und lückenlosen «Jetzt aber richtig»-Mentalität weicht
  • die grosse Mehrheit des Schweizer Kerns ihrer Reputation nicht gerecht wird
  • sich das Sprichwort «Zu viele Köche verderben den Brei» bewahrheitet, wenn Träger grosser Buchstaben auf dem Dress deutlich kleinere Zahlen bei der Eiszeit feststellen – und genau diese Herausforderung das Coaching-Team überfordert
Genf Servette

Credits Unbekannt

EHC Kloten – Analyse & Prognose

Einstufung & Herausforderungen

Gerade weil Kloten so positiv überrascht hat, stellt sich die Frage, ob eine Bestätigung machbar ist. Im allerbesten Fall gelingt das. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass – wie Lugano und Servette im Vorjahr – gleich zwei renommierte Clubs mit wesentlich anderen Mitteln als die Flieger wieder so schwach abschneiden werden. Deshalb ist rangmässig gegenüber dem begeisternden Vorjahr ein «Abstieg» im Ranking auch bei gleichbleibender Spielstärke nicht auszuschliessen.

Erstaunlich ist, dass trotz einem Topjahr personell auf diese Saison hin viel gewechselt hat. Mit Zurkirchen (eine starke Nummer 2), den beiden soliden und spielbestimmenden Verteidigern Niku und Grégoire sowie Audette, Aaltonen, Ojamäki und Aberg haben diverse Spieler den Club verlassen, die oft leistungsbestimmend waren. Mit Klok, Lindroth, Puhakka, Cignac und Leino kommen gleich fünf neue Ausländer an den Schluefweg. Dazu mit Fadani, Huet, Hausheer, Delémont, Keller, Körbler und Simon Meier viele Junge, die sich in der Liga etablieren wollen. So viele Wechsel bergen aber eben auch Risiken. Bei der enormen Ausgeglichenheit der Liga gibt es kaum Marge – und es braucht wenig, bis man sich in der Tabelle schnell in hinteren Bereichen wiederfindet. So erklärt sich, dass tabellarisch auch für Kloten eine grosse Spanne möglich ist.

Realistischer Fall: Rang 9 bis 11

Das kann der Fall sein, wenn:

  • Waeber mindestens gleich stark hält wie im Vorjahr und weder in Kloten noch in Fribourg – wo er bereits für 2026 ff. verpflichtet ist – Zweifel sät
  • Fadani und/oder Huet wie Zurkirchen fast die Hälfte der Spiele bestreiten können und dabei wie der verabschiedete Zurkirchen mit mindestens einer Abwehrquote von 91 % glänzen
  • Puhakka, Leino und Cignac zusammen auch 47 Tore erzielen können, wie das Aaltonen, Audette, Ojamäki und Aberg schafften
  • Lindroth und Klok mit ihren Leistungen nie Wehmut nach Niku und Grégoire aufkommen lassen
  • Ramel, Morley, Meyer, Schäppi, Wolf und Profico ihre letztjährige Saison als spielbestimmende Figuren bestätigen können
  • viele der Jungen den letztjährigen Beispielen Ramels, Schreibers und Rafael Meiers folgen und Fortschritte machen

Bester Fall: Rang 7 bis 8

Das kann eintreten, wenn:

  • erneut zwei ambitionierte Clubs eine schwache Saison spielen und Kloten besser ist als Ajoie sowie die SCL Tigers, Ambri, Biel und Rapperswil hinter sich lassen kann
  • Waeber zum Nationalgoalie für Olympia und/oder die Heim-WM avanciert
  • Marjamäki trotz der vielen Wechsel sofort die richtige Chemie findet und Kloten stark in die Meisterschaft startet
  • die vielen Jungen das Vertrauen des Clubs rechtfertigen und mit starken Leistungen auffallen
  • die fünf neuen Imports allesamt voll reüssieren
  • der Kern der Routiniers mindestens gleich solide auftritt
  • das Team weniger von den Ausländern und vom Schweizer Kern abhängig ist, weil die Jungen die Hierarchie aufrütteln

Schlechtester Fall: Rang 12 bis 14

Dieser Fall ist nicht ausgeschlossen, wenn:

  • Ajoie endlich eine ganze Saison mithalten kann
  • Teams wie Ambri, Biel, die SCL Tigers und die Lakers ihr realistisches Potenzial abrufen
  • keines der auf dem Papier grossen und finanzkräftigen Teams eine schwache Saison einzieht
  • die Ausländer Anlaufschwierigkeiten haben und ihre Vorgänger nicht vergessen machen können
  • zu viele der talentierten Jungen noch nicht ganz reif für die NL sind
  • Waeber mehr in der Zukunft als in der Gegenwart lebt, seine Leistung darunter leidet und seine jungen Kontrahenten noch nicht reif für viele Spiele in der NL sind
  • Klotens letztjährige Leistungen nun niemand mehr unterschätzt – Asche auf mein Haupt, auch ich selber nicht
EHC Kloten

Credits: Berend Stettler