Saisonprognose Teil 6: Rapperswil-Jona Lakers und HC Lugano

27.08.2025
Aktualisiert am 27.08.2025

Text von Ueli Schwarz, Header-Fotos: Andrea Branca / unknown
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Um es gleich vorwegzunehmen, ich kann und will mich nicht auf einen genauen Rang festlegen. Die Schlussplatzierung hängt von so vielen, über fünf Monate hinweg verteilten und unvorhersehbaren Konstellationen ab, dass eine genaue Prognose eher in die Sparte "reines Glücksspiel" gehören würde… und da bin ich schlecht.

Mindestens acht Clubs mit entsprechenden Budgets erwarten sich selber in den Top 6. Die restlichen sechs Clubs und diejenigen die es nicht in die Top 6 schaffen, wollen alle die Top 10 avisieren und Letzter oder Vorletzter will schon gar niemand werden.

Zudem gab es noch praktisch in jeder Saison positive und negative Überraschungen. Es kann und wird nicht überall eitel Sonnenschein herrschen! Genau das macht ja die National League so spannend, aber eben auch schwierig zu prognostizieren.

Jedes Kader hat aber ein bestimmtes Potential, die Organisationen stehen in unterschiedlichen Entwicklungsphasen und die angepackten Veränderungen auf Grund der letztjährigen Saisonanalyse lassen aber eine Prognose für den realistischen Fall, den besten, aber auch für den schlechtesten Fall zu.

Ausgangslage

Steinmann spielt zwar seit Jahren nicht mehr, aber in der GM-Funktion wirkt er weiter mit viel Einfluss. Janick Steinmann hat über Jahre in Rapperswil mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln eine tolle Kultur aufgebaut und wechselt nun an einen Ort mit zwar vollen Tresoren, aber seit Längerem eben ohne Leistungskultur. Unterschiedlicher ist kaum möglich. Spannend ist, dass der Club an seiner alten Wirkungsstätte in den letzten vier Jahren dreimal vor den Luganesi klassiert war. Wie schlagen sich die Lakers ohne ihn und wie lange dauert es, bis seine Ideen in Lugano etwas bewirken?

Ich schätze die Möglichkeiten der beiden Clubs folgendermassen ein:

Saisonprognose 7

Rapperswil Jona Lakers – Analyse & Prognose

Einstufung & Herausforderungen

In Rapperswil geht es darum, eine neue, eigene Identität zu finden und sich von den prägenden Steinmann-Hedlund-Jahren zu emanzipieren. Der neue GM Claudio Cadonau hat sich in ein gemachtes Nest setzen können, denn die Zusammensetzung der Mannschaft trägt zu 100 % den Stempel Steinmanns. Was aber mit diesem Kader auf dem Eis passiert und welche Kultur künftig gelebt werden soll, das haben Headcoach Lundskog und Cadonau sehr wohl in ihren Händen.

Der Zuzug des Spektakelverteidigers Julius Honka, von Dufner sowie die Vertragsverlängerung Moys um ein weiteres Jahr sind die einzigen gewichtigen Erbschaften, die Steinmann den Lakers noch machte. Er konnte allerdings die Abgänge Baraganos und des aufstrebenden Alge nicht abwenden. Zudem haben mit Colin Gerber, Philip Holm, Emil Djuse, Bobby Nardella und Wick Spieler den Verein verlassen, die zwar erfahren sind, aber aus verschiedenen Gründen zuletzt nicht wirkliche Leistungsträger waren.

Die Lakers bauen auf Jensen, Rask, Strömwall, Fritz, Larsson und Honka, sowie auf Maier, Albrecht, Dünner, Jelovac, Wetter, Zangger, Lammer und Dufner – und auch mittelfristig auf die beiden ligaerfahrenen Goalies Nyffeler und Punnenovs. Der Rest des Kaders ist jung, aufstrebend, und man hofft darauf, dass der eine oder andere sich zum unverzichtbaren Leistungsträger entwickeln wird. Da gibt es bei den Leistungsträgern nicht allzu viel Marge, und viel Hoffnung und positives Denken schwingt bei all den jungen, noch nicht vollkommen etablierten NL-Spielern mit.

Man darf gespannt sein, was Lundskog und seine Crew daraus machen. Zwischen einer erfreulichen Bestätigung des letztjährigen neunten Rangs und einer Zittersaison scheint vieles möglich.

Realistischer Fall: Rang 9 bis 11

Das wird der Fall sein, wenn:

  • Punnenovs und Nyffeler zu den fünf besten Goalieduos gehören
  • Larsson nach seiner verletzungsbedingten Seuchensaison zusammen mit Honka die Verteidigung defensiv trägt und die beiden das Offensivspiel von hinten heraus und das Powerplay überzeugend lenken
  • Strömwall seine starke erste Saison bestätigt
  • Rask, Jensen und Fritz ihm in nichts nachstehen
  • Maier, Albrecht, Dünner, Wetter, Zangger, Jelovac, Lammer und Dufner lückenlos solide Stammspieler sind und die Imports entsprechend entlasten können
  • Capaul, Henauer, Graf, Hofer und Taibel endgültig solide NL-Stammspieler werden
  • von den Jungen Taibel, Bisig, Quinn, Embacher und Hornecker einige einen grossen Entwicklungsschub vollziehen
  • der Name Steinmann in Rapperswil weiter ein Thema ist, weil in dem Fall das Kader tiptop zusammengestellt wurde und im Kampf um die Play-Ins mithalten kann

Bester Fall: Rang 8

Das passiert, wenn:

  • mindestens ein arrivierter und finanzstarker Club ähnlich wie Lugano oder Servette letztes Jahr strauchelt
  • die Lakers besser spielen als das gesamte Quintett Kloten, Biel, Ambri, SCL Tigers und Ajoie
  • Punnenovs und Nyffeler zu den drei besten Goalieduos der Liga gehören
  • die Import-Stürmer zusammen mehr als 60 Tore erzielen und Moy ihnen zusätzlich diesbezüglich in nichts nachsteht
  • man mit Honka einen stürmenden und sehr produktiven Offensivverteidiger im Kader hat, der gleichzeitig mit einer der besten Plus/Minus-Bilanzen aufwartet
  • der tragende Schweizer Kern keine Ausfälle hat und aus der zweiten Kaderhälfte Trouvaillen geboren werden

Schlechtester Fall: Rang 12 bis 14

Dieses Szenario kann eintreten, wenn:

  • die Lakers grundsätzlich Probleme haben, denn die Marge nach hinten ist dünn
  • man in Rapperswil Gründe findet, Steinmann nachzutrauern
  • die Goalies sehr fragil sind
  • in der zweiten Kaderhälfte keine positive Entwicklung festzustellen ist und somit die Decke der Leistungsträger zu dünn ist
  • die designierten Leistungsträger – ob Schweizer oder Ausländer – verletzt sind oder nicht das auf Eis bringen, was das Team dringend braucht
  • aus dem Quintett Kloten, Ambri, SCL Tigers, Biel und Ajoie mindestens drei oder mehr Teams eine starke Saison spielen und ihr Potenzial ausschöpfen
  • kein grosser Club wie letztes Jahr strauchelt und hinten in der Tabelle landet
Saisonprognose 7

Credits Waltraud Blaurock

HC Lugano – Analyse & Prognose

Einstufung & Herausforderungen

Da Lugano zuletzt stets eine Wundertüte mit enormem Personalaufwand und wenig Fortschritt darstellte, ergibt sich diese grosse Spanne. Wie gewohnt gibt es wieder viele Personalwechsel: Mit Tom Mitell und Stefan Hedlund (wo Steinmann ist, ist er – oder umgekehrt) hat man die Strategie im Trainerbereich erneut auf den Kopf gestellt. Mit Carrick und Heimkehrer Zanetti bekommt die Verteidigung frisches Blut, mit Rasmus Kupari, Brendan Perlini, Mike Sgarbossa, Zach Sanford sowie den Rückkehrern Bertaggia und Simion erhält die Offensive ein neues Gesicht.

Gerade Perlini, Sgarbossa und Sanford bringen weniger Kunst, dafür Gradlinigkeit, Physis und «Leadership by doing». Ob sie das Team mitreissen? Ansonsten fällt beim Blick auf die Kaderliste auf, dass dort einige Junge mit Jahrgang 2002 oder jünger Aufnahme gefunden haben. Die wenig erbaulichen letzten Jahre sowie die zahlreichen Wechsel lassen nur schwer eine genaue Prognose zu. Im Normalfall brauchen ein Kulturwechsel und ein Umbau einer Mannschaft eben auch Zeit. Quo vadis Lugano?

Realistischer Fall: Rang 7 bis 10

Das kann der Fall sein, wenn:

  • Steinmann, Mitell und Hedlund stetig mehr in die Köpfe und Herzen der Spieler eindringen können
  • Steinmann seine Position und seine Kompetenzen rechtzeitig findet
  • Schlegel und van Pottelberghe gesund bleiben und beide solide 90 % oder mehr Saves abliefern
  • Dahlström eine deutlich bessere Saison spielt als die letzte und der neue Offensivverteidiger Carrick sich als klare Nummer 1 präsentiert
  • Alatalo, Müller, Aebischer und Brian Zanetti ihrem Potenzial gerecht werden und zusammen mit den Ausländern nicht nur eine auf dem Papier gut aussehende, sondern auch auf dem Eis funktionierende Verteidigung bilden
  • Fazzini, Bertaggia, Thürkauf, Simion und der oft unterschätzte Morini neben Sekac, Sgarbossa, Kupari, Sanford und Perlini einen Kern bilden, der die Offensive trägt – und sich aus den vielen Jungen eine solide vierte Energielinie entwickeln lässt
  • aus dem Kreis der vielen Jungen und Rollenspieler wie Peltonen oder Tanner einige Spieler zu konstant zuverlässigen Stammkräften werden
  • zusammenfassend das vorhandene Potenzial genutzt wird

Bester Fall: Rang 6

Das kann eintreten, wenn:

  • der Verwaltungsrat überwacht, die Geschäftsleitung operativ wirkt, der GM Personalentscheide fällt, der Coach coacht und die Spieler spielen
  • die mentale Vorarbeit von Steinmann und den neuen Coaches durch den Sommer so gut und intensiv war, dass ab Trainingsbeginn im August der Hinterste und Letzte die verlangte Arbeitseinstellung, Konzentration und Disziplin an den Tag legt und so seinem Potenzial gerecht wird
  • Alatalo, Müller, Aebischer, Fazzini, Simion und Thürkauf unbedingt Olympia oder die Heim-WM bestreiten wollen und Patrick Fischer aufgrund ihrer Leistungen nicht an ihnen vorbeikommt
  • viele Konkurrenten eine deutlich schlechtere Saison als Lugano spielen – denn man müsste im Vergleich zum Vorjahr gleich sieben (!) Konkurrenten überholen
  • die sieben Imports zu den besten der NL gehören
  • Schlegel und van Pottelberghe mehr als einfach gut halten

Schlechtester Fall: Rang 11 bis 12

Das kann eintreten, wenn:

  • die Strukturbereinigung bezüglich Zuständigkeiten und Kompetenzen im Club immer wieder Fragen aufwirft
  • die Mehrheit der Teams wie Servette, Biel, Ambri, die Tigers, Kloten und die «Ex-Steinmänner» aus Rapperswil ihr Optimum ausschöpfen
  • der Kern der Schweizer Spieler mit grossen Namen und Nationalteamchancen nicht liefert
  • Sgarbossa, Kupari, Carrick, Sanford und Perlini mit ihren physischen Qualitäten Sekac und Dahlström nicht in einen positiven Sog ziehen können – und generell die fünf Neuen sowie die zwei «überlebenden» Ausländer nicht zu den überragenden Ausländern der Liga gehören
  • unerwartet grosse Torhüterprobleme auftreten
     
Saisonprognose 7

Credits: Thomas Oswald