Was Schweizer Junioren von Zach Hyman lernen können

Zach Hyman hat eine beeindruckende Entwicklung hinter sich. Vom unterschätzten Fünftrundendraftpick hin zum 50-Tore-Stürmer in der NHL! Thomas Roost zeigt in seiner neusten Kolumne auf, was Schweizer Junioren von Zach Hyman und dessen Entwicklung lernen können.

Schweizer Eishockeyjunioren gelten im internationalen Topstandard als vergleichsweise wenig talentiert; die enttäuschenden NHL-Draftresultate der letzten zehn Jahre sprechen eine deutliche Sprache. Zach Hyman, der Forward der Edmonton Oilers, galt als Junior ebenfalls als wenig talentiert, läuferisch limitiert, ziemlich hölzerne Hände, aber immerhin gesegnet mit einer überdurchschnittlichen Work-Ethic.

Hyman wurde erst in der 5. Runde von den Florida Panthers gezogen, d.h. die NHL-Draftverantwortlichen beurteilten eine mögliche NHL-Karriere von Zach Hyman als unwahrscheinlich (die Wahrscheinlichkeit, dass 5.-Rundenpicks im Verlaufe ihrer Karriere mehr als 100 NHL-Spiele absolvieren, liegt bei deutlich weniger als 30 Prozent). Heute steht Hyman mit den Edmonton Oilers bei bereits 52! erzielten Toren – nur Auston Matthews liegt mit aktuell 60 Toren in dieser Wertung vor Hyman - und die Regular Season ist noch nicht zu Ende! Ich kenne keinen einzigen Scout, der ihm vor zehn bis 15 Jahren auch nur schon 30 Tore zugetraut hätte.

Von dieser Entwicklung können Schweizer Junioren also einiges lernen:

Lesson learned #1:

Ein Nicht-Draft oder ein später Draft bedeutet nicht, dass die NHL-Träume begraben werden müssen. Mit einem Persönlichkeitsprofil wie z.B. dasjenige von Zach Hyman (weit überdurchschnittliche Work-Ethic, Leadership, versteht sich als ständig Lernender, ist sich für keine Aufgabe zu schade) ist nicht alles, aber vieles möglich, egal in welcher Disziplin.

Lesson learned #2:

Wenn Junioren z.B. läuferisch oder physisch schon früh dominieren (was bei uns nicht zu selten vorkommt), dürfen sie diese Dominanz nicht überschätzen, denn mit zunehmendem Alter verblassen diese Unterschiede: Auf internationalem Topniveau gibt es kaum mehr Spieler, ohne mindestens mittelmässigem Skating, guten athletischen Werten und ohne mindestens mittelmässigen Handskills. Noch immer tendenziell unterschätzt werden Werte wie Leadership, Leidenschaft, Neugierde, Lernfähigkeit, Lernwille, und Work-Ethic. Vor allem die Lernfähigkeit ist ein extrem wichtiges «Asset» im Profil eines Talents. Auch die Spielintelligenz ist sehr bedeutend und auch diese hat sich Zach Hyman, dank seiner Leidenschaft für den Hockeysport, im Laufe der Jahre angeeignet.

Lesson learned #3:

Mit einem allfälligen NHL-Draft oder einem ebensolchen Nicht-Draft, ist das Buch von Talenten noch längst nicht geschrieben, erst der Titel des Buches ist definiert, aber nicht der Inhalt. Jetzt beginnt sich die Spreu vom Weizen zu trennen und das erfolgreiche Ernten des Weizens muss Jahr für Jahr neu bewiesen werden. Zwei, drei Jahre nach dem Draft, mit einer vorbildlichen Work-Ethic genügen nicht. Die vorbildliche Work-Ethic, der Wille, mehr zu tun als andere und der Wille, immer wieder smarte Wege zur Verbesserung des eigenen Spiels zu finden, dies müssen für die Top-Eishockeyspieler die ganze Karriere lang ständige Begleiter sein. Für Sidney Crosby ist dies noch heute selbstverständlich und für den hockeytechnisch tendenziell untalentierten Zach Hyman waren es die Schlüssel für seine sensationelle Karriere.

Lesson learned #4:

Ich verfolge Zach Hyman mehr oder weniger seit seinem Draftjahr 2010. Die Berichte über ihn waren als Junior wenig schmeichelhaft, aber was aufgefallen ist: Diese Berichte von Experten und Scouts wurden kontinuierlich besser. Jahr für Jahr ist mir aufgefallen, wie sein verbessertes Skating, seine verbesserten Handskills und das verbesserte Scoring, seine wachsende Spielintelligenz, zuerst verhalten und später schon fast euphorisch beklatscht wurden. Die kontinuierliche Verbesserung in verschiedenen Aspekten in seinem Spiel; dies war und ist bei Zach Hyman unglaublich beeindruckend. Nicht nur im Alter von 15-20 Jahren, nicht nur mit 25 oder 30 Jahren, auch im Spätherbst der Karriere gilt: Ich will mich ständig verbessern und falls ihr mir keinen Glauben schenkt: Fragt Sidney Crosby.

Weil die Wahrheiten und Wahrscheinlichkeiten auch in diesem Fall weit weniger spektakulär sind als von den meisten von uns erhofft, will ich hier relativierend folgendes anfügen: Erstens: Mit blossem Willen kann man nicht alles erreichen, dies ist eine blanke Lüge. Um NHL-Spieler zu werden, braucht es einen gewissen Level an hockeytechnischem Grundtalent und auch Glück. Falls dies nicht stimmen würde, dann wäre ich heute ein Ex-NHL-Spieler… Zweitens: Ja, Zach Hyman profitiert zweifelsohne davon, dass er bei den Oilers in einer Linie mit dem weltbesten Spieler, Connor McDavid, auflaufen darf, aber er hat bereits bei den Maple Leafs wiederholt 20-Tore-Saisons abgeliefert, er hätte auch ohne McDavid eine sehr viel bessere Eishockeykarriere, als ihm die allermeisten Scouts und Experten zugetraut haben.

Thomas Roost ist seit 1996 NHL-Scout für den Central Scouting Service und verfolgt die beste Liga der Welt hautnah.
Für MySports ist Roost als NHL-Experte & Co-Kommentator im Einsatz.
In seiner wöchtenlichen Kolumne «Roosts Ramblings» schreibt er über Themen aus der NHL und der grossen Hockey-Welt.

https://www.thomasroost.com I Twitter: @thomasroost

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