Lian Bichsel: Von Nordamerika nach Schweden

Lian Bichsel zählt zu den grossen Zukunftsversprechen des Schweizer Eishockey. Nun bricht er seine Zelte in der AHL ab und wechselt nach Schweden zu Rögle. Welchen Einfluss dieser Wechsel auf seine Karriere haben könnte und wie die Chancen für eine NHL-Karriere stehen, schreibt Thomas Roost in seiner neusten Kolumne.

Am Mittwoch in dieser Woche haben die Dallas Stars bekanntgegeben, dass Lian Bichsel nach Schweden zurückkehren wird. Er kehrt dem Farmteam der Dallas Stars, den Texas Stars, den Rücken und wird ab sofort für Rögle in der Schwedischen Topliga auflaufen. Ist damit der NHL-Traum von Lian Bichsel geplatzt? 

Mitnichten, Lian Bichsel hat in Texas gut performt und ist bereits mit seinen erst 19 Jahren schon nahe an der NHL. Bei Verletzungen auf der Verteidigerposition bei den Dallas Stars wäre Bichsel eine der ersten Optionen auf einen so genannten «Recall» in die NHL gewesen. 
Der Wunsch, die Saison in Schweden fortzusetzen wurde von Lian Bichsel selbst an das Dallas Stars Management herangetragen und das Management wollte es sich mit dem Erstrundenpick aus dem Jahr 2022 nicht verderben und hat dem Ansinnen stattgegeben.

Nur positive Worte sind aus Dallas zu vernehmen. Jim Nill ist des Lobes voll betreffend Lian Bichsel. «Er hat im Camp unsere Erwartungen übertroffen, hat sehr gut gespielt und sich von Spiel zu Spiel gesteigert. Lian glaubt, dass er in Schweden aufgrund der vermehrten Trainingszeiten mehr Fortschritte erzielen kann. Lian ist bereits sehr reif, körperlich und im Kopf» so Jim Nill. 

Lian Bichsel ist keinesfalls in der NHL gescheitert, gegen Ende der Saison wird er wiederum in der AHL bei den Texas Stars erwartet und vermutlich reicht es dann sogar für einen «Cup of Coffee» bei den Dallas Stars in der NHL. Es ist sehr selten, dass 19-jährige Verteidiger bereits in der NHL spielen und bei derart gross gewachsenen Spielern wie Lian Bichsel einer ist, ist es noch seltener. «Big guys take longer to develop» - «grosse Jungs benötigen mehr Entwicklungszeit» - dies ein geflügeltes Wort unter Scouts.

Somit Friede, Freude, Eierkuchen? Mehr oder weniger ja, aber nicht ganz. Erstens gilt es bei lobenden Worten aus Nordamerika immer etwas vorsichtig zu sein. Die in diesem Kulturkreis normale Rhetorik ist für unseren Geschmack immer etwas überschwänglich, d.h. wenn auf einer Skala von eins bis zehn ein Spieler in Nordamerika beurteilt werden muss und er eine neun erhält, dann würden wir ihn hier in Europe mit ungefähr einer sieben benoten und dies gilt nicht nur für Zahlen, sondern auch für Worte. 

Weiter ist es eher ungewöhnlich – nicht aber partout schlecht –, dass ein so junger Spieler mit einer derart klaren Anfrage ans Management gelangt, so im Stile von «ich weiss besser was für mich gut ist als ihr im Dallas Management».
Das dritte kleine Fragezeichen betrifft das Team in Schweden, Rögle. Bichsel hat in Schweden bei Leksand gespielt, er weiss demnach sehr genau was ihn dort erwartet hätte. In Rögle spielt er für einen neuen, ihm vermutlich nicht so gut bekannten Coaching- und Ausbildungsstaff. Zudem hat Rögle mehr sportliche Probleme als Leksand. Dies muss alles nicht negativ sein, aber so einige kleinere Fragezeichen bleiben im Raum stehen.

Spielt Bichsel somit mit Sicherheit für die Schweiz an der nächsten WM? Nicht mit Sicherheit aber mit einer grossen Wahrscheinlichkeit. Falls er bei seiner Rückkehr im Frühling nach Dallas nicht raketenhaft durchstartet, ist ihm eine Nomination im Team von Patrick Fischer fast sicher.


Thomas Roost ist seit 1996 NHL-Scout für den Central Scouting Service und verfolgt die beste Liga der Welt hautnah.  Für MySports ist Roost als NHL-Experte & Co-Kommentator im Einsatz. In seiner wöchtenlichen Kolumne «Roosts Ramblings» schreibt er über Themen aus der NHL und der grossen Hockey-Welt.

https://www.thomasroost.com I Twitter: @thomasroost