Fribourg, Kloten, Langnau: Kaderanalyse – Teil 4

MySports-Experte Ueli Schwarz nimmt in seinem neuen Blog «Schwarz oder doch Wiis?» das aktuelle Geschehen der National League wöchentlich genauer unter die Lupe. Fribourg, mit einem starken Kader, bester Infrastruktur und grosser Anhängerschaft, will diesmal unbedingt in die Top-Sechs. Kloten – der Überflieger der letzten Saison – will bestätigen, dass das nicht ein Einzelfall war und sich in der Liga festigen. Langnau will sich weiter kontinuierlich aus den langen Schatten der Corona-Zeit herauskämpfen und Anschluss finden an den Kampf um die Play-In-Plätze. So hat jeder Club seine Erwartungen – wer kann sie erfüllen oder gar übertreffen?

TEIL 1: GENF, BIEL & RAPPERSWIL

Teil 2: ZSC Lions, Davos & Zug

Teil 3: Lugano, Lausanne & Ambri-piotta

HC Fribourg-Gottéron

Torhüter: Es besteht ein gewisses Risiko, denn Berra muss sehr viel spielen und das gut … Es sei denn, man sei bereit, Galley/Rüegger auch ganz bewusst spielen zu lassen, um sie ans Niveau heranzuführen! Nach der nach eigener Einschätzung enttäuschenden letzten Saison gilt es einiges gutzumachen, umso mehr Mut wird das brauchen! Diesmal steht (noch) kein Backup vom Format Hughes zur Verfügung und Berra muss nach einer schwierigen letzten Saison den Tritt für die ganz grosse Rolle erst wieder finden.

Verteidigung: Auch hier besteht ein gewisses Risiko, denn es stehen knapp sieben Verteidiger im Kader, die bestandene NL-Verteidiger sind. Streule und Seiler können es durchaus werden, sind aber erst auf dem Weg dazu. Verletzungen, Sperren oder Krankheiten könnten das Team hart treffen. Die beiden Imports (und auch immer noch Diaz) werden Mammut-Eiszeiten tragen und gesund bleiben müssen. Bergmann muss also «passen» und vor allem auch offensiv ein Mehrwert gegenüber der letztjährigen Verteidigung sein.

Offensive: Der Sturm ist über 12 Positionen für NL-Verhältnisse sehr gut besetzt - auch mit den vier Imports. Interessant wird sein, wie sich DiDomenico wieder einfügt und inwiefern er nach dem missglückten Abenteuer wieder an erfolgreichere Fribourg-Zeiten anknüpfen kann. Mit Wallmark`s Profil (Puckhandler, Passer, Bully, Zweiweg-Fähigkeiten) konnte Desharnais fast eins zu eins ersetzt werden. Sobald ein Ausfall vorfällt, stehen mit Binias, Etter und Nicolet Rookies zur Verfügung, die Rohdiamanten sein können, aber bei weitem noch nicht geschliffen sind. Will man sie weiterbringen, müssen sie auch Eiszeit erhalten. Rein qualitativ ist die Kadertiefe also auch da etwas knapp. Ausfälle können rasch ins Gewicht fallen, es sei denn, die Rohdiamanten scheinen …

Ausländer: Gunderson und Bergmann werden das Rückgrat in der Defensive bilden, Wallmark bringt Zweiwegqualitäten, die für das Dubé-Spiel wohl passen werden. De la Rose ist ein Teamspieler mit Vorbildcharakter, während Sörensen und wieder DiDomenico eher für die offensive Ausbeute zuständig sein werden.

Kadertiefe: Sie ist (zu) knapp bemessen, man wird auf Verletzungsglück angewiesen sein.

Coaching Staff: Nach langer intensiver Diskussion um die Doppelrolle Dubés bleibt doch fast alles beim Alten, mit Ausnahme des zusätzlichen Assistenten Patrick Emond. Das Team hat eine klare Handschrift mit guter Organisation, aber offensiven Abschlussschwächen.

Umfeld: Fribourg definiert sich als Top-Sechs Team mit Ambitionen. Das kann man durchaus sein, aber eben nicht mit Garantie, wie letzte Saison zeigte. Das Festhalten am bisherigen System, das Zurückholen DiDomenicos und die heissblütige Fangemeinde werden viel Erwartungsdruck erzeugen. Es wird kühles Blut und Standhaftigkeit brauchen, sollte die Saison ähnlich wie die Letzte verlaufen

Mögliche leistungshemmende Faktoren: Man leistet sich einen sehr starken und auch teuren Kern der Mannschaft und investiert eher dort als in Tiefe. Das kann aufgehen, aber bei (zu) vielen Ausfällen kann sich das stark auswirken. Wie wird DiDomenico spielen und sich verhalten? Er kann eine Organisation zum Fliegen bringen (das weiss man in Fribourg) oder eben auch in Schwierigkeiten reiten (das weiss man nun in Bern). Das Doppelmandat Dubés läuft noch ein Jahr, dann geht seine Zukunft als Trainer weiter. Nachvollziehbar, aber heikel! Irgendwann ist der neue Sportchef definiert und er wird Dubés Chef sein. Wie sehr ist Dubé involviert in die künftige Kaderbildung? Wie reagiert er, wenn ein neuer Sportchef andere, neue Philosophien hat, die der «alte» GM jetzt als Trainer umsetzen muss? Dieser Umstand birgt ebenso Gefahren, wie der Druck, diese Saison wieder besser abzuschneiden.

Mein Tipp für die Regular Season: Es gibt viele offene Fragen, deshalb ist die Prognose schwierig. Läuft alles optimal nach Plan, hat das Kader die Qualität, die Top-Sechs zu schaffen. Die Fallhöhe ist aber gross und lassen die Play-In`s wahrscheinlicher erscheinen.

EHC Kloten

Torhüter: Metsola und Zurkirchen haben sich bewährt! Daher ist es auch nachvollziehbar, dass man die Konstellation nicht wechselt. Als Aufsteiger setze man im Schnitt in einem von drei Spielen auch auf Zurkirchen und spielte in der Konsequenz dann mit nur fünf Ausländern auf dem Feld. Während man mit Metsola als Starter im Tor 14 von 32 Spielen gewann, waren es mit Zurkirchen 6 von 17 und damit prozentual nur unwesentlich weniger. Mit einem siebten Ausländer, wenn Metsola mal pausiert, hätte Kloten also noch gewisses freies Potenzial zum Ausschöpfen.

Verteidigung: Vieles ist neu, mit Sataric/Profico kommen zwei erfahrene NL-Verteidiger dazu. Was passiert mit Reinbacher? Sollte er in Kloten parkiert werden, wäre das ein enormes Plus und würde wohl bedeuten, dass der siebte Import auch aus Budgetgründen analog der letzten Saison kein allzu grosses Thema wäre. Andernfalls ist die Verpflichtung eines Verteidiger-Imports wohl unumgänglich. Die Achillesferse: mit nur acht Verteidigern (ohne Reinbacher, davon zwei Rookies mit Deussen/ M.Kellenberger)  in eine Saison zu steigen, ist sehr heikel ... zumal «brauchbare» Verteidiger unter der Saison schwierig zu finden wären ...

Offensive: Mit den vier Ausländern Aaltonen, Ang, Ojamäki und Morley steht ein starkes Quartett im Kader. Mit Diem und Smirnovs kommen zwei Center dazu, die der Offensive doch einiges an Tiefe geben werden. Pech für den Club, dass ausgerechnet Smirnovs aber bereits wochenlang verletzungshalber ausfallen wird. Gerade aufgrund dieser Verletzung dürfte aber der Einsatz von vier ausländischen Stürmern ein Muss sein. Sollte jedoch für die Verteidigung ein zusätzlicher Verteidiger-Import engagiert werden, würde einer aus dem Quartett auf die Tribüne verbannt, was ein deutlicher Verlust wär. Was gefällt: im Kader hat es mit Derungs, Ramel, Lindemann, J.Marchon, Schreiber und Simic einige junge Spieler, die ihren Zenit noch längst nicht überschritten haben und Kloten künftig Freude bereiten können. Es wird spannend sein zu sehen, wer von ihnen wieviel Vertrauen bekommt und wer es wie gut nutzen wird.

Ausländer: Ruotsalainens Abgang ist gewichtig, aber er ist mit Ojamäki prima ersetzt! Der Abgang Faille's scheint mit dem Zuzug Morley's kompensiert. Vor allem Aaltonen und Ang, aber auch Ekestahl Jonsson waren wichtige Eckpfeiler für die Kloten Overperformance und sie konnten alle gehalten oder im Fall von Aaltonen gar vorzeitig verlängert werden. Morley ist ein anderer Spieler als Faille und dürfte – aufgrund der beiden neuen Center – eher offensiv ausgerichtet und produktiver sein.

Kadertiefe: Sie ist für ein Team, das sich rasch vom Tabellenende absetzen und Ambitionen auf die Play-In`s hat, mit Ausnahme der Verteidigung, durchaus kompetitiv. Allerdings sind die Qualitätsunterschiede im Kader doch recht beträchtlich und die Schlüsselspieler dürfen nicht zu oft oder zu lange ausfallen.
Coaching Staff: Mit Fleming kommt ein neuer Coach, der, ähnlich wie in Biel, nicht aufgrund von Abnützungen, Erfolgslosigkeit oder Unzufriedenheiten zum Handkuss kam, sondern aus gesundheitlichen Gründen seines Vorgängers. Keine leichte Aufgabe, weil sein Geist und Schatten vor allem zu Beginn oder bei verzögerten Erfolgen präsent bleiben werden. Was hilft ist der Umstand, dass mit Rintanen/Martikainen zwei Coaches im Staff sind, die Kloten, das Team und die Liga gut kennen.

Umfeld: Kloten bestach durch die Bodenständigkeit und Konsequenz des Umfeldes im Jahr eins in der NL, welches über Erwarten positiv verlief. Das Jahr der Bestätigung ist einerseits viel schwieriger und anderseits ist man mit deutlich höheren – nicht immer realistischen – Erwartungen konfrontiert. Es ist zu hoffen, dass man dem eingeschlagenen Weg auch dann treu bleibt, wenn das Vorjahresresultat nicht erreicht und sich der Start allenfalls wie letztes Jahr schwierig gestalten sollte. Die Kontinuität scheint gegeben, trotzdem man die Herausforderung der Etablierung in der NL mit einem erneuerten VR und neuem Präsidium in Angriff nimmt.

Mögliche leistungshemmende Faktoren: Der neue Coach wird Zeit brauchen – man möge ihm mit der nötigen Geduld begegnen. Allein das Egalisieren des Vorjahresresultates wäre ein Erfolg, zumal kein Team Kloten nur annähernd unterschätzen wird. Hat der Club diese mentale Toughness und Coolness, wenn’s auch mal schwierig werden sollte? Die problematische Tiefe in der Verteidigung kann sich bei Verletzungssorgen rasch auswirken. 

Mein Tipp für die Regular Season: Jeder Rang gleich oder besser als der neunte des Vorjahres wäre absolut grandios. Gelingt der Start und bleibt Kloten vom Verletzungspech verschont, sind die Play-In`s bestenfalls wiederholbar, aber die Luft nach hinten – sprich zur Verbannung in den Playoutfinal auf Rang 13 oder 14 – ist dünn. 

SCL Tigers

Torhüter: Boltshauser/Charlin – manch einer hat vor Jahresfrist damit gewisse Bedenken gehabt. Aber genau die beiden sind über sich hinausgewachsen und haben den Tigers, zusammen mit den äusserst effizienten Ausländern, sehr lange die Hoffnung auf mindestens den 10. Platz gegeben. Die Erwartung an die Beiden wird höher, das Vertrauen ist gross, aber die Leistung darf nicht schlechter sein, wenn die Tigers ihre Ziele erreichen wollen.

Verteidigung: Saarijärvi und der neue Riikola sind zwei sehr spielstarke Verteidiger für alle Spielsituationen. Cadonau/Erni/Schilt - alle drei klassische # 5-7 Verteidiger für das NL-Niveau  -  müssen und können viel Erfahrung einbringen. Keiner von ihnen ist aber ein NL Top-Vier-Verteidiger. Mit Guggenheim ist ein Junger in der #5-7-Rolle zu einem echten Konkurrenten gereift. Zryd war und ist eine Sphynx - es steckt viel Talent in ihm, aber die Konstanz für eine unbestrittene Top-Vier-Position ist noch nicht erreicht. Klappt es diese Saison oder ist er ein weiterer zuverlässiger #5-7 Verteidiger? Mit Meier und Zanetti stossen zwei neue Rohdiamanten dazu! Beide haben in ihren letztjährigen Teams gezeigt, dass sie bestimmend und Top-Vier spielen können. Die Grundlagen und das Talent dazu, das auch in der NL zu schaffen, sind gegeben. Man darf gespannt sein. Die Tigers müssen rasch herausfinden, wer neben den beiden Imports die Rollen drei und vier füllen kann, während für die Rollen 5-7 eher ein Überangebot herrscht.

Offensive: Ändert etwas an der enormen offensiven Abhängigkeit von den Ausländern? Mit Pesonen und Saarela stehen zwei bekannte Grössen im Kader. Die beiden neuen, im besten Alter stehenden Amerikaner Malone und Louis werden Energie ins Spiel bringen und Michaelis Punkte und Eakins Leadership kompensieren müssen. Mit Julian Schmutz und Matthias Rossi kommen zwei Spieler im Rahmen der Möglichkeiten der Tigers dazu, die je für 10-12 Tore gut sind. Wenn Flavio Schmutz und Dario Rohrbach ihr Potenzial abrufen, können auch sie je 8-10 Tore beitragen. Das offensive Potenzial seitens CH-Spieler ist also leicht besser als vor Jahresfrist. Erneut stellt sich aber die Frage, was Junge wie Salzgeber, Weibel, Lapinskis, Felcman und Dukurs beitragen können - schafft da einer einen bedeutenden Schritt nach vorne? Es müsste so sein und würde dem Team enorm helfen.

Ausländer: Mit Saarijärvi und Riikola verfügt das Team über zwei starke Import-Verteidiger, die je gute 20`/Spiel in allen Spielsituationen spielen können und müssen! Pesonen ist seit Jahren ein sicherer Wert und Leithammel. Saarela hat letztes Jahr eine deutlich bessere Saison gespielt als zuvor, mit all den kleinen Verletzungen. Wenn man bedenkt, wie sehr die Tigers vor Jahresfrist von der Produktivität ihrer Ausländer anhängig waren, müssen die beiden neuen Amerikaner Malone und Louis die bewährten Michaelis und Eakin vergessen machen. Man darf gespannt sein darauf, wie ihnen das gelingen wird.

Kadertiefe: Im Tor und in der Verteidigung ist man rein quantitativ im Gegensatz zum Sturm gut aufgestellt. Das bedeutet, dass Ausfälle oder Unterformen in der Top-Hierarchie der Verteidigung sowie im Sturm Probleme stellen könnten.

Coaching Staff: Das Duo Paterlini/Hirschi hat eine erfreuliche erste Saison absolviert und ist mit dem Team auf einen guten Weg eingebogen nach den coronabedingten Jahren, mangelnder Leistungskultur und anderer Wirren. Einerseits war man sehr lange am Platz zehn dran, anderseits hat man den ultimativen mentalen Härtetest der Playouts erfolgreich meistern können. Das wird helfen, zuversichtlich nach neuen Zielen zu streben.

Umfeld: Man weiss in Langnau genau, wer man ist, was man hat und was man kann – klar hofft man auf die Play-In`s, weiss aber ganz genau, dass alles stimmen müsste. Was es in Langnau schlecht ertragen würde, sind uninspirierte Auftritte vor den treuen eigenen Fans. Man hat sich für den Schweizer Weg Müller-Paterlini-Hirschi entschieden und wird auch dafür sorgen, dass dies der Weg in die Zukunft bleiben wird. Fürs Erste hat die Crew letztes Jahr mit dem Team gute Fortschritte erzielt. Was wird realistisch betrachtet noch möglich sein?

Mögliche leistungshemmende Faktoren: Inwiefern können die neuen Malone und Louis, Michaelis und Eakin vergessen machen? Die Schweizer Stürmer stehen unter Druck – sie müssen die Ausländer effektiv entlasten. Schaffen sie das?  Schaffen Junge den Sprung vom Ergänzungsspieler zum Leistungsträger? Unter den Verteidigern müssen zwei Leute in die Rollen drei und vier hineinwachsen, damit die beiden finnischen Verteidiger nicht über Gebühr zu früh und zu lang forciert werden müssen.

Mein Tipp für die Regular Season: Langnau soll sich möglichst lange am Rang zehn ausrichten. Um es dann auch zu schaffen, muss alles rund laufen und es wird stark davon abhängen, wie die Konkurrenz abschneidet. Kann man Ajoie weiter hinter sich lassen und drei, der letztes Jahr in Reichweite besser klassierten Teams (Ambri, Lausanne, Kloten, Lugano oder ein anderes) überholen? Es müsste wohl fast alles stimmen, deshalb ist eine Klassierung im Bereich 11-14 wohl die Realität.