ZSC Lions, Davos, Zug: Kaderanalyse – Teil 2

MySports-Experte Ueli Schwarz nimmt in seinem neuen Blog «Schwarz oder doch Wiis?» das aktuelle Geschehen der National League wöchentlich genauer unter die Lupe. Im zweiten Teil seiner Saisonvorschau analysiert er die Kader der ZSC Lions, des HC Davos und vom EVZ. Alle drei haben hohe Ambitionen und grundsätzlich das Potential dazu, nur ist das wie uns die Geschichte lehrt weder eine Garantie noch eine Selbstverständlichkeit, dass es denn auch so sein wird.

Teil 1: Genf, Biel & Rapperswil

ZSC Lions

Torhüter: Hrubec`s Klasse ist unbestritten, deshalb wird er den Löwenanteil der Spiele bestreiten. Das birgt ein gewisses Risiko und wird gleichzeitig die Anzahl der einsetzbaren ausländischen Feldspieler auf 5 reduzieren. Meier muss beweisen, dass er einspringen kann. Je mehr das der Fall sein wird, je frischer wird Hrubec in den Playoffs sein. Erweist sich die Hürde für Meier als zu hoch, sind Transferaktivitäten zu erwarten.

Verteidigung: Die Verteidigung bleibt praktisch unverändert, einzig das grosse Talent Ustinkov stösst dazu. Die «Top-Fünf-Verteidiger»Lehtonen, Weber, Kukan, Geering und Marti weisen eine sehr hohe Qualität auf. Die restlichen vier Kaderverteidiger können jederzeit die Rolle als Nummer sechs und sieben oder bei Ausfällen eine Rolle in den Top-Fünf übernehmen. Die Verteidigung ist für NL-Verhältnisse sehr stark besetzt. Eine spannende Frage: wieviel Vertrauen bekommt Ustinkov und wie nutzt er seine Chancen?

Offensive: Die Offensive enttäuschte in der Vorsaison. Da wurde gründlich umgebaut- einerseits bei den Ausländern, anderseits mit dem Königstransfer von Malgin. Interessant wird sein, wie sich die Mittelachse präsentiert! Malgin dürfte die Nummer eins in der Mitte sein. Lammikko und Grant sind zwei polyvalente Powerstürmer, die nicht nur Grit, Gradlinigkeit, Physis sondern auch Flexibilität bringen, weil sie sowohl Flügel als auch Center spielen können. Schäppi/Sigrist/Rohrer sind weitere Alternativen. Erfreulich ist, dass mit Rohrer, Graf und Bechler auch drei Zöglinge der GCK Lions Unterschlupf im Kader finden. Dass sie zwei Jahre unterschrieben haben, zeigt auch, dass man ihnen Zeit geben will, sich zu etablieren. 

Ausländer: Hrubec, Lehtonen und Lammikko kennen wir – alle sind sehr wichtig in ihren Rollen und mit ihren Profilen. Fröden ist ein besserer Azevedo, Balcers ein Mann der die Punkteausbeute Texier`s matchen kann. Mit Grant anstelle Wallmarks kommt ein anderes, polyvalentes Element dazu.  Mit dem NHL-Rückkehrer Malgin ist Roe ebenfalls ersetzt, mit dem Vorteil einer zusätzlich freien Ausländerlizenz. Die Frage wird sein, wie lange die ZSC Lions mit sechs Ausländern operieren werden. Im Laufe der Saison ist mit einer Aufstockung zu rechnen, auch für den Fall, dass Hrubec mal pausieren will oder muss.
Kadertiefe: Sie ist für NL-Verhältnisse einmal mehr top. Einzig im Tor und mit vorläufig nur sechs Ausländern sind kleinere Fragezeichen vorhanden, die der ZSC aber jederzeit schliessen kann und falls nötig auch wird. 

Coaching Staff: Das Trio Crawford/Cookson/Schwarz muss gemessen an den Möglichkeiten der Lions eine enttäuschende Saison 22/23 vergessen machen. Crawford sprang letztes Jahr früher ein als geplant, hat aber das Steuer nicht mehr herumreissen können. Insofern lastet sicherlich ein zusätzlicher Druck auf ihm. Resultate werden nötig sein, aber auch die Integration der vier Jungprofis die aus den GCK Lions aufgestiegen sind. Die Crew hat es selber in der Hand den unter Grönborg stets schwelenden Unruheherd mangels Einbau Junger ruhig zu stellen.

Umfeld: Man leistet sich alle erdenklichen Möglichkeiten die Nummer eins zu sein. Man spricht offen über höchste Ambitionen. Man will und muss die Saison 22/23 vergessen machen und besser performen. Abgerechnet wird wohl erst im zweiten Teil der Saison – sprich in den Playoffs – und ob sich zeigt, dass die Jungen wirklich eine Chance kriegen und auch entsprechend Fortschritte machen. Sollte das nicht eintreten, kann es sein, dass unzimperliche Entscheide gefällt werden.

Mögliche leistungshemmende Faktoren: Die einmal mehr allen Ansprüchen genügenden Voraussetzungen erzeugen sehr viel Erwartungsdruck die Liga anzuführen. Man darf aber davon ausgehen, dass die Lions mittlerweilen diesbezüglich abgehärtet sind. Mit 17 (!) Stürmern ist das Kader enorm tief besetzt und es wird nicht einfach sein, alle Ansprüche unter einen Hut zu bringen. Die Jungen aus der GCK Organisation müssen eingebaut werden, wenn es im Club ruhig bleiben soll. Gespannt darf man sein, wie sich die Lösung im Tor auf die Dauer entwickeln wird.

Mein Tipp für die Regular Season: Die Nummer eins ohne Zweifel. Ein Platz in den «Top-Drei» muss als  Minimalziel bezeichnet werden. Alles andere wäre eine grosse Enttäuschung und gemessen an den Möglichkeiten ungenügend.


HC Davos

Torhüter: Das Duo Senn/Aeschlimann ist bewährt - Aeschlimann war wieder solid (spielte 36 Spiele von 52) und Senn war besser als noch im Jahr zuvor (17/52). Dass das Vertrauen in Aeschlimann höher ist, zeigte sich auch in den Playoffs, wo nur er - sehr gut - spielte. Das war aber eigentlich die einzige Differenz, denn punkto Winning – und Save-Percentage und auch bezüglich erhaltenen Toren pro gespieltes Spiel waren beide TH praktisch identisch unterwegs. Wie wird die Philosophie mit dem neuen Headcoach und dem neuen Torhütertrainer sein?

Verteidigung: Wie wird Näkyvä Nygren ersetzen? Das ist die grosse Frage. Vom Talent/Profil her eigentlich problemlos. Nygren war aber über Jahre ein starker Leader - gelingt es Näkyvä diese Lücke zu füllen?  Mit Schneeberger kommt ein solider Verteidiger dazu, der seine Fähigkeiten vorallem in der Defensive und im Unterzahlspiel hat. Das Profil der Verteidigung passt und ist gut aufgestellt: zwei Imports, Egli & Fora bilden sehr starke Top 4, Jung, Heinen, Barandun und Schneeberger sind sehr valable Nummern fünf bis sieben und dazu steht der junge Minder mit grundsätzlich guten Perspektiven im Kader. Einziges Fragezeichen: wer würde in die Top-Vier-Rolle schlüpfen, wenn es dort Ausfälle gibt, oder einer der Imports nicht liefert?

Offensive: Es bleibt fast alles beim Alten und Bewährten - einzig Peltonen ist neu. Man darf gespannt sein, wie gut er ist und inwiefern er das Team verstärken kann. Knak, Nussbaumer, Egli, Frehner und Prassl sollten einen weiteren Schritt nach vorne machen, denn es hängt doch noch viel an Ambühl, Corvi, Wieser und den Imports. Gelingt den Spielern der Step, ist das Potential in der Offensive sehr gut.

Ausländer: Näkyvä ist ein interessanter Spieler, der aber gleich an der Schuhgrösse Nygrens gemessen werden wird. Die Schweden-Bastion Dahlbeck, Bristedt, Nordström, Rasmussen war solid und gut und Stransky ist ein zuverlässiger Scorer.

Kadertiefe: Das offensive Kader ist derzeit eher (zu) dünn besetzt. Es können nicht viele Absenzen aufgefangen werden. Im Meistern der Zusatzbelastung Spengler Cup ist ja der HCD mittlerweilen geübt und mit Verstärkungsspielern kann sie wett gemacht werden.

Coaching Staff: Holden steht erstmals alleine in der Verantwortung, assistiert von den bisherigen Immonen/Metropolit. Holden hat sich bereits als Assistent in Zug recht stark profiliert und kennt die Liga. Was wird er für neue Impulse einfliessen lassen? Interessant wird auch sein, was auf der Torhüterposition geschehen wird. Was ändert da allenfalls mit einem neuen Head- und Torhüter Coach?

Umfeld: Der Coachwechsel, sein Profil- und damit der Stilwechsel ist wohl auch stark dem Ansinnen Jan Alstons geschuldet. Der «Stallgeruch» früherer Jahre steckt nur noch in einzelnen Ausrüstungen. Entsprechend weckt der «neue» HCD Erwartungen – auch intern. Geduld wird gefragt sein.

Mögliche leistungshemmende Faktoren: Ausfälle im Sturm könnten schwer wiegen. Fast alle Verteidigerverträge laufen aus plus fast ebenso viele im Sturm – das wird den Garderobenfrieden, den Fokus und das psychologische Geschick der Leitung auf die Probe stellen. Beim Traditionsverein Davos ist einiges neu und alle dürsten nach mehr Erfolg als zuletzt – an Erwartungsdruck wird’s nicht mangeln und mit dem muss man zuerst umgehen können.

Mein Tipp für die Regular Season: Mit einem normalen Saisonverlauf ist ein Platz unter den ersten sechs realistisch, der frische Wind kann im besten Fall in die Top-Fünf führen, aber sollten die leistungshemmenden Faktoren nicht gut bewältigt werden, ist auch Rang sieben oder acht möglich.


EV ZUG 

Torhüter: Ein sehr bewährtes Duo mit auslaufenden Verträgen. Beide TH wollen sich aufdrängen, was gute Leistungen zur Folge haben wird. Interessant wird Genonis Fall sein: Er ist bekannt für rasche und frühe Entscheidungen. Es werden also beide viel spielen und sich zeigen wollen. Was auch immer passiert, es wird Bewegung im Torhüter-Markt und in der Garderobe auslösen.

Verteidigung: Bengtsson für Djoos ist eher ein Plus und Riva für Kreis quasi eine 1:1-Lösung. Diese zwei Wechsel in den Top-Fünf-Positionen machen Zug eher leicht besser! Mit Schlumpf, zwei Imports, Geisser, Stadler, Gross und Riva verfügt Zug über ausgesprochen starke sieben Verteidiger. Wie gut sich Nussbaumer, Vogel und der Rookie Muggli entwickeln wird interessant sein, da die Möglichkeit Spielpraxis in der Swiss League mit der Academy nun wegfällt.

Offensive: Eine qualitativ stark besetzte Offensive! Nebst vier erprobten Imports (Mit Michaelis und Wingerli kommen neu zwei ganz unterschiedliche neue Imports dazu) stehen mit Hofmann, Herzog, Senteler und Simion vier Nati-Spieler im Kader, dazu gesellen sich mit Martschini und Suri zwei erprobte NL-Stürmer. Ab Position elf werden sich der neu verpflichtete Biasca, Leuenberger, Allenspach und die beiden Jungen Muggli und Robin um Rollen und Eiszeiten balgen.

Ausländer: Mit Bengtsson und Hansson stehen zwei sehr solide, belastbare aber auch spielstarke Verteidiger zur Verfügung. Im Sturm sollte der bewährte Leader Kovar eine bessere Saison vor als hinter sich haben. O`Neill hat sein grosses Potential verschiedentlich angedeutet, doch wird das Team von ihm noch konstantere und damit prägendere Leistungen brauchen. Michaelis war mit seinen Zweiwegqualitäten und seinem Scoringtouch eine Entdeckung der letzte NL-Saison und es wird spannend sein, inwiefern er mit den vielen guten Mitspielern performen wird. Wingerli hat das Potential mit seiner Quirligkeit und seinem Speed zu entzücken.

Kadertiefe: In der Offensive eine mögliche Achillesferse! Von 15 Stürmern haben Allenspach, Muggli Robin, Biasca und teilweise Leuenberger noch nicht konstante Stammspielerqualitäten bewiesen, was aber nötig sein wird. Der Zugriff in die Academy-Garderobe wird nicht mehr möglich sein und es fragt sich, wie gut eigene Junioren bereits auf der Stufe der Erwachsenen werden performen können.

Coaching Staff: Tangnes ist ein Coach, der seine Assistenten stark mit einbezieht. Liniger und Johansson werden frischen Wind reinbringen und der erfahrene Tangnes weiss bestimmt die richtigen Schlüsse aus der letzten, unter den Erwartungen gebliebenen Saison zu ziehen.

Umfeld: Man hat klare Titelansprüche und steht dazu. Anderseits schafft man immer auch Platz und Raum für Eigengewächse. Mit einem erneuten nur knappen Erreichen der Top-Sechs wird man aber den eigenen Ansprüchen kaum gerecht, deshalb werden Resultate und gute Leistungen gefordert sein, damit auch die Ruhe im Haus gewahrt ist.

Mögliche leistungshemmende Faktoren: Wann und wie entscheidet sich Genoni über seine Zukunft? Ein Thema, das im Team sicherlich für gewisse Aufregung sorgen wird, sollte Genoni nochmals einen Wechsel vornehmen. Ein schlechter Saisonstart könnte rasch zum Déjà-Vu führen und die Minne intern und extern beeinträchtigen. Zu viele verletzte Stürmer könnte sich nachteilig auswirken.

Mein Tipp für die Regular Season: Es gibt einzig gewisse leichte Vorbehalte in der Kadertiefe, die Qualität hingegen gehört zum Besten. Alles andere als ein Top-Vier-Platz käme einer Enttäuschung gleich.