Die neue MySports-Serie

Kurze Rückblende, Februar 2021. Eine weitere lange Fahrt ins bitter kalte Sopraceneri, ein Blick nach rechts, La Valascia, die zerfallene Ikone der Stadien. Ein flüchtiger Gedanke, eine Idee, das DOK-Kopfkino läuft. 

Der Plan nimmt umgehend Gestalt an, die Telefonnummern der Ambri-Verantwortlichen werden sicherheitshalber gecheckt. Bereits im Frühling müssen die Tessiner ihr Monument verlassen. Aus TV-Sicht ist die Derniere nur ein einziges Mal ungefiltert umsetzbar. Nostalgie pur, Herzschmerz ist programmiert. Dem lokalen Hockey-Club steht zeitnah ein komplizierter Umzug in die moderne Sportwelt bevor.

Ab jenem Moment war klar: Nach dem kompletten Neustart des HC Davos («Das Projekt Davos») und dem Corona-Epos («Frisst Corona die Tigers?») steht innert Kürze eine nächste TV-Challenge an, die in dieser Form einmalig ist – der Auszug Ambris nach über sechs Dekaden aus dem landesweit grössten und charmantesten Kühlschrank. In der Gotthard-Region findet unser Vorhaben Anklang; Anfang April drehten wir im Tessin bei der missratenen Derniere gegen Fribourg-Gottéron nahezu ohne teaminterne Vorwarnung bereits ein erstes Mal.  
Die Wege in der Leventina sind kurz, die Entscheidungsträger denken vernetzt. Und doch: Schon beim ersten Meeting zeichnete sich ab, dass unsere Protagonisten mehrheitlich einen anderen Stil pflegen würden als die Hauptdarsteller der beiden letzten Filme. Temperament, eine beispiellose Offenheit und Tempo, eine spürbar andere Kultur, Nähe und Wärme, teilweise aber auch abrupte Richtungswechsel – verbunden mit einem etwas höheren Pulsschlag bei allen Beteiligten. 

Das Drehbuch einer Hockey-Dokumentation wird üblicherweise im Frühsommer verfasst. Das komplizierte Gerüst des erstmals mehrteiligen Streifens entsteht, Themen und mögliche Brennpunkte werden recherchiert, die Liste charakterstarker Key-Player erhält Konturen, das Umfeld wird geröntgt. Die Macher beginnen mit dem Story-Telling, noch ehe in der Kernzone eine Regung spürbar ist. Kurzum: Das Gros ist Wunschdenken, die Realität kommt früh genug. 
Auf dem Papier ist eine Rohfassung erkennbar, das Bild für das finale Puzzle ist indes verschwommen. Das Stück ist nicht in Tessiner Granit gemeisselt. Das Fundament muss stimmen, die Drähte ins Zentrum der Taktgeber müssen glühen. Auf der Seite der Macher ist Anpassungsfähigkeit gefragt. Die Volatilität im Sportbusiness ist hoch, gut gemeinte Prognosen und Analysen haben eine kurze Halbwertszeit.
Gegenseitiges Vertrauen ist primär in sportlichen diffizilen Situationen Gold wert. Türen bleiben bei einer grossen bilateralen Akzeptanz länger offen. In Erinnerung bleibt in diesem Kontext ein Telefonat knapp vor Mitternacht – nach einem regelrechten Kollaps gegen den EV Zug. In solchen Augenblicken weichen die Vorstellungen der DOK-Produzenten diametral von der Sichtweise des Sportchefs ab. Fingerspitzengefühl und journalistisches Kalkül müssen in einem guten Verhältnis stehen, sonst ist der Kollateralschaden hinter den Kulissen nicht mehr abzuwenden. 

Vorweg: Der nächtliche Austausch endete zielführend. Nach mehrmonatigen und intensiven Dreharbeiten – die Crew verbrachte nicht selten über 15 Stunden am Stück im Nordtessiner Dorf – ist auch dank ausgesprochener Handy-Diplomatie eine Geschichte entstanden, die Ambris Macher aus einem 360-Grad-Winkel beleuchten. Der Entwurf mündet in einer Serie, welche das Bild der Involvierten nachhaltig schärfen wird. 
Hunderte von Knochenarbeitsstunden stecken im Mehrteiler, jede einzelne hat sich gelohnt. Die MySports-Community wird Ende Januar abermals in Genuss eines puren Eishockey-Leckerbissens kommen. Und wer die Hintergründe etwas kennt, weiss das Gesamtprodukt noch mehr zu schätzen.