«Money talks!» - Quo vadis National League?

Das liebe Geld spielt auch in der National League eine immer grössere Rolle. MySports-Experte Ueli Schwarz nimmt in seinem neusten Blog «Schwarz oder doch Wiis?» die Entwicklung der stetig steigenden Löhne kritisch unter die Lupe.

14 NL-Teams fragen gute Schweizer Torhüter & Spieler nach. Jetzt im Herbst ist diese Nachfrage besonders überhitzt. Jedes Team nimmt neben mindestens sechs ausländischen Profis gegen 20 Schweizer Profi-Spieler (oder Spieler mit einer Schweizer Lizenz) unter Vertrag. Der freie Markt mit seinen 14 Nachfragern soll also rund 280 Profis hergeben. Die aktuelle Entwicklung dieses Marktes lässt nur eine einzige Kurzbeschreibung zu: «Money talks!»

Wer sein Geld als Eishockeyprofi verdienen will, muss bis es so weit ist, enorm viel Arbeit und Zeit und die Eltern ihrerseits müssen sehr viel Geld und Zeit investieren. Dieser Weg ist nicht ganz ohne Risiko, denn Verletzungen können dem Traum rasch ein Ende setzen. Sportlich schafft man es vielleicht nicht ganz und je länger ein Spieler den Traum jagt und lebt, umso mehr entfernt er sich von der normalen Berufswelt, in die er spätestens im Alter von 34 – 40 dann wieder zurückkehren muss und will. Die Zeit, um seine Vermögensbildung zu optimieren, ist also kurz und mit steten Risiken gespickt. Aus diesem Grund ist es richtig, dass Profisportler anständig – also vergleichsweise höher als Berufseinsteiger in normalen Berufen – bezahlt werden. Eishockeyspieler gehören zu den privilegierten Sportlern, die das können.

Ich hüte mich davor Namen oder konkrete Zahlen zu nennen – das «macht man nicht» bei uns und ich respektiere das infolgedessen. Wieso «man» das nicht macht, wäre zu diskutieren, aber nicht heute.

Die Eishockey-Karriereleiter und der entsprechende Lohn

Sagen wir mal ein fairer «Hockeylehrabgänger»-Einsteigerlohn betrage den aktuellen Durchschnittslohn in der Schweiz oder leicht mehr. Nennen wir diesen Lohn «x». 
Wie in jeder Branche gibt’s auch in der NL (von der NHL ist hier nicht die Rede) eine Karriereleiter, die man mehr oder weniger weit oder rasch erklimmen kann. Zeigt ein Spieler, dass er in der Liga etabliert ist und die ihm zugedachte Rolle Abend für Abend ausfüllt, wird der zweite Karrierevertrag in der NL wohl einen Lohn von 2 bis 2.5x zur Folge haben.

Gelingt es dem Spieler zusehends Entscheidendes im Spiel zu liefern – oft Tore & Assists – und spielt er sich damit in die hinteren Seiten des Notizbuches des Nationaltrainers, wird der dritte Karrierevertrag auf Grund der Nachfrage rasch 3 bis 3.5x betragen. Gelingt es dann einem Spieler seine persönliche Ausbeute weiter zu steigern und es auch mal auf die vorderen Seiten des Nationaltrainers zu schaffen, wird es auf dem Markt Nachfrager geben, die, ohne mit der Wimper zu zucken, den Lohn von 4 bis 4.5x offerieren. Das ist aber nicht das Ende der Fahnenstange: wer mit 27/28-jährig in die besten Jahre kommt und gezeigt hat, dass er mehr oder weniger regelmässig die 4 bis 4.5x bestätigt hat, fordert einen mittel- bis langfristigen Vertrag mit dem Lohn 5x oder als Spieler der Businessklasse von 6x und mehr.

Für einen 4x-, 5x-, 6x – oder gar noch höheren Lohn muss ein Spieler aber dann schon ein Game Breaker sein, der mehr als nur zufällig ab und zu die Differenz machen kann. Gelingt ihm das, wird er Abend für Abend ein paar tausend Leute begeistern und so dem Arbeitgeber entscheidend helfen, sein Produkt erfolgreich zu platzieren. Die Allerbesten verdienen in jeder Branche sehr gut – mit dem lässt sich leben. Weniger akzeptabel ist es, auf dem Lohnzettel ein solcher zu sein, aber nicht zu liefern …

Die überhitzte Lohnspirale

Was auch ein Fakt ist: Vertragsverlängerungen oder Clubwechsel sind de facto eigentlich nie mit gleichviel oder weniger Lohn gleichgestellt. Im Gegenteil: da ist auf Grund der Marktsituation in den allermeisten Fällen mit fetten Erhöhungen zu rechnen … Die Lohnspirale kennt gnadenlos nur eine Richtung!

Die 14 NL-Clubs agieren in der freien Marktwirtschaft und da definiert sich der Lohn x wie in der Mathematik als Variable und die Dicke des Portemonnaies – ob selbst verdient oder querfinanziert - legt den effektiven Wert fest … dazu später mehr. Es obliegt also auch der Eigenverantwortung gegenüber der eigenen Erfolgsrechnung und Bilanz der Clubs, was sie sich leisten wollen und können.

Jeder Club/Arbeitgeber will im sportlichen Wettbewerb möglichst erfolgreich sein und ein attraktives Produkt bieten. Nur so können Tickets und Werbeflächen verkauft und die Gastroumsätze hochgehalten werden. Was aber ist ein attraktives Produkt? Logisch bedeutet das: spektakuläre, begeisternde Spiele des eigenen Clubs, möglichst viele Siege, Helden und Identifikationsfiguren. Es geht aber weiter: Wer ans Spiel geht, will Spannung also interessante und ausgeglichene Spiele sehen. Es gibt für ein Produkt nichts Langweiligeres, als Spiele, bei denen sich die Frage nach dem Sieger kaum stellt und nur die Frage interessiert, wie hoch das Resultat am Ende ausfällt. Ebenso langweilig ist eine Meisterschaft, die realistisch gesehen nur von drei bis vier Teams auch wirklich gewonnen werden kann. Der sportliche Wettbewerb muss also so kompetitiv wie möglich sein. Wer aber auf Grund der freien Marktwirtschaft und der Dicke des eigenen Portemonnaies die Kosten der eigenen Attraktivität frei definieren kann, kreiert mitunter ein Problem. Da liegt also die zweite Verantwortung der Clubs: wer nur seinen Fuhrpark in der Garderobe versilbert und hochfährt, der gefährdet den kompetitiven Wettbewerb im Gesamtprodukt und heizt gleichzeitig die Lohnspirale stetig weiter an.

Das Produkt «National League» ist gefährdet

Die NL war in den letzten Jahren erfreulich ausgeglichen – ein ganz wichtiges Gut für die Liga. Mindestens in jedem zweiten Spiel war der Sieger nach 50 von 60 gespielten Minuten noch völlig offen. Wenn dann rund 15 Prozent solcher Spiele erst in der Overtime oder im Penaltyschiessen entschieden werden, ist dies das Salz in der Suppe! Dass im Frühjahr 2023 zwei Teams im Final standen, die das selten oder seit langem nie mehr schafften und damit ein neues Team anstelle der Ewigverdächtigen Schweizer Meister wurde, ebenfalls. Dieses Gut muss unabhängig der Dicke des Portemonnaies der einzelnen Teilnehmer unbedingt erhalten bleiben!

Die aktuelle Tendenz im Markt geht leider in eine Richtung, die genau dieses ausgeglichene Produkt gefährdet. Die fünf bis sieben finanziell potentesten Clubs bestücken ihre 22-Mann-Kader mit mindestens 12 Spielern oder mehr, die mindestens 5x verdienen, dazu gesellen sich weitere vier bis fünf mit einem 4x-Lohn. Im Vergleich dazu können sich z.B. die vier finanziell am wenigsten potenten Clubs nur ganz vereinzelt einen 5- oder 6x-Lohn (und wenn, dann sind es Ausländer …) und zwei bis fünf 4x Löhne (auch da sind es Ausländer …) leisten. Anders ausgedrückt ist es heute Realität, dass die zehn bestbezahlten Spieler eines Clubs mit dickem oder sehr dickem Portemonnaie wohl addiert gleichviel kosten, wie der gesamte Kader eines Clubs am andern Ende der Portemonnaie-Skala. Das sind letztlich ganz massive Differenzen. Beachtet man die Tendenz auf dem aktuellen Markt, stellt man entsprechend auch eine einseitige Bewegung fest: wer schon stark begütert ist, hat sich im Oktober/November bereits Zuzüge oder Verlängerungen geleistet. Diese Entscheide bewegen sich nicht im Bereich von 3x-Löhnen, sondern deutlich höher. Das bedeutet, dass die andere Hälfte der Liga, mit den kleineren Portemonnaies, zwei gefährlichen Tendenzen ausgesetzt ist: erstens sportlich immer weiter distanziert zu werden und zweitens sehen sie sich, um das zu verhindern, der Gefahr ausgesetzt, selbst auch Löhne zu zahlen, die das eigene Limit überschreiten können. 
Diese Tendenzen aber auch der Blick nach vorne machen Sorgen bezüglich des NL-Gesamtproduktes. Wieso?

Wer sich z.B. selbst als möglichen Meister deklariert, aber nicht liefert, wird jeweils im kommenden Jahr besser abschneiden wollen und Kaderkorrekturen wahrnehmen. Das bedeutet investieren. Eigene Spieler, die am Vertragsende stehen und deren Agenten reiben sich die Hände und werden ein bis zwei x mehr fordern als bisher. Spieler, die sich anderswo positiv entwickelt haben, werden nun mit Lohnangeboten von mindestens einem 4-5x-Lohn geködert, die für den Spieler zwar schön sind (ich würde es auch nehmen) aber die betroffenen Organisationen finanziell heraus- oder überfordern.

Transfersummen als Lösung?

So kann es sein, dass ein Team - nur um seine Spieler zu halten - plötzlich einige Hunderttausend Franken teurer aber nicht wirklich besser wird … Teams mit klaren finanziellen Limiten widerstehen hoffentlich verantwortungsvoll der Versuchung aus dem 2- oder 3x-Lohn einen noch höheren zu offerieren. Gehen solche Clubs das mit, liegt das höchstens in einem oder zwei Fällen drin. Damit aber gefährden sie ihre interne Lohnhierarchie und riskieren bei jeder Vertragsverlängerung herausgefordert zu werden. Die Konsequenz ist also ein stetes Anheben der Lohnsummen oder halt eben eine sportliche Ausdünnung.

Teams, die es regelmässig schaffen, Spieler auf dem Markt interessant zu machen, haben als Lohn dafür bloss das gute Image, dass nächste Spieler sich von einem Transfer zu ihnen das Gleiche erhoffen. Rein finanziell zahlt sich das jedoch nicht aus. Die seinerzeitige Abschaffung der Transfersummen wirkt sich diesbezüglich negativ aus. Müssten nämlich die Nachfrager nach solchen Spielern nicht nur einen 4x oder 5x-Lohn zahlen, sondern zusätzlich auch noch eine zünftige Ablösesumme, würde das wohl für gewisse Portemonnaies auch keine entscheidende Rolle spielen, für den abgebenden Club hingegen würde sich dann das Entwickeln von Spielern nicht nur imagemässig, sondern auch finanziell lohnen. Es könnte ja auch sein, dass damit statt eine 4- oder 5x-Lohnofferte etwas tiefer ausfallen könnte (den Spielern würde das weniger gefallen…) und so der allgemein überhitzten Lohnentwicklung entgegengewirkt würde. Im Zuge des Bosman-Falls im Fussball wurden Transfersummen als einschränkend für die freie Arbeitsplatzwahl betrachtet und somit abgeschafft. Deshalb ist eine Korrektur mit diesem Ansatz Geschichte. Zum Verständnis: im aktuellen System wird die Ausbildung im abgebenden Club nur bis und mit dem 23. Ausbildungsjahr entschädigt und das jährlich, solange der Spieler seine Aktivkarriere fortsetzt.

Drohende Zweiklassengesellschaft

Die NHL hat schon lange gemerkt, dass die Blüten der freien Marktwirtschaft zu einer Wettbewerbsverzerrung führen. Jedes Team hat eine Salär-Obergrenze. Auch da sind einzelne Löhne nach oben weitgehend offen, nur kann man sich dann eben nicht unendlich viele solche Spieler leisten. Wer die Obergrenze übertrifft, muss deftige Sanktionen akzeptieren: Bussen in Millionenhöhe, Aufhebung von Verträgen, Verlust von Draft Picks, Punktabzug und/oder automatische Niederlagen in Spielen, die vom Verstoss beeinflusst wurden.
Das einzige Ziel: jedes Team soll konkurrenzfähig sein, damit die Meisterschaft ausgeglichen und spannend ist.

In unserem Umfeld wäre eine solche Regelung aktuell leider nicht zu vereinbaren mit der herrschenden Gesetzgebung. Es gibt aber den Ansatz des Financial Fairplays - ein Ansatz einer gewissen Regulierung. Aktuell wäre das bestenfalls in Form eines «Gentlemen Agreements» lebbar. Es müsste also von allen getragen werden. Erstens sind in der NL nicht nur Gentlemen unterwegs, die ein solches Ansinnen tragen möchten und zweitens spielt die Wettbewerbskommission WEKO die Rolle des Gesetzeshüters. Auf politischem Weg sind glücklicherweise Bestrebungen im Gang eine Regulierung hinsichtlich der Verträglichkeit mit den aktuellen Gesetzen zu prüfen und im besten Fall dann auch zu definieren. Bleibt zu hoffen, dass die sprichwörtliche Langsamkeit Bundes-Berns in diesem Fall nicht zutrifft!

Bis es aber so weit ist, droht in der NL ein Auseinanderbrechen in eine Zweiklassengesellschaft. Die Dringlichkeit einer Regulierung im Interesse einer ausgeglichenen Liga ist hoch, sehr hoch sogar. Solange die Entwicklung unreguliert so weitergeht, gilt: «Money Talks!» und die bange und dringliche Frage «Quo Vadis?» bleibt im Raum.