«Im Schatten grosser Bäume wachsen keine kleinen mehr»

Während die National League boomt, wackelt der Unterbau des Schweizer Eishockeys bedenklich. Diese Entwicklung bereitet unserem MySports-Experten Ueli Schwarz grosse Sorgen. Seine Gedanken darüber teilt er in seinem neusten Blogg «Schwarz oder doch Wiis?».

In diesen Tagen boomt die National League – spannende Play-In-Serien sind vorüber, die Emotion gehen hoch, die Stadien sind rammelvoll. Das Top-Produkt ist im Hoch. «Man sagt, im Schatten grosser Bäume wachsen keine kleinen mehr» - wie sehr stimmt doch diese Metapher bezüglich dem Gesamtprodukt Schweizer Eishockey! Die Swiss League torkelt bedrohlich und riskiert in Kürze zur «9er-Zweiklassenliga» zu mutieren. Die MyHockey League boomt zwar an der Spitze erfreulich, in den hinteren Regionen aber sind die Probleme deutlich grösser als die Freuden. Viele 1. Liga-Clubs stellen sich nach der Einführung der MyHockey League die Sinnfrage. Die Dropout-Quoten junger Spieler – hervorgerufen durch ein unsinniges frühes Selektionieren und Fokussieren auf die hoffentlich richtigen Talente in der U17-Elite - sind im Steigen begriffen. Ich schreibe diese nachfolgenden Zeilen aus rein persönlichen, freidenkenden Gründen, weil die Entwicklung mich beschäftigt und ich mir grosse Sorgen darüber mache, wohin das führt.

Alles verharrt in alten – zugegebenermassen über einige Zeit auch bewährten – Denkweisen, während die Probleme immer drückender werden. Gibt es in solchen Situationen «dumme» Ideen? Vielleicht … aber viel dümmer als dumme Ideen ist, wenn man gar keine Ideen hat. Ich habe keine Probleme, mich als «dumm» oder «Phantast» oder was auch immer schimpfen zu lassen, deshalb lasse ich meinen Gedanken mal auf der grünen Wiese freien Lauf - nach dem Motto «Geht nicht, gibt’s nicht».

Ich halte mich bei meinen Gedankenspielen mal daran, nur das zu hinterfragen, was nicht funktioniert. In der Konsequenz setze ich mich nicht mit der National League auseinander.
Da gibt’s zwar durchaus auch Challenges (Entwicklung der Kosten, Ligagrösse, zum Beispiel heuer mit frühem Saisonende anfangs März für vier Clubs, Durchlässigkeit …). Nur dass keine Missverständnisse aufkommen: die Durchlässigkeit muss in meinen Augen bleiben – fragt sich nur wie. Das ist aber eine andere, eigene Diskussion, die ich hier nicht führen und aufgreifen werde.

Die Ausgangslage

Die heutige Swiss League plagt sich seit Jahren mit grossen Problemen herum. Erneut besteht die Gefahr, dass das Teilnehmerfeld in der Swiss League weiter schrumpft. Durch den Abgang von Kloten und Ajoie in die neue 14er-Liga der National League und den Rückzügen von SL-Teams (EVZ Academy, Langenthal, Martigny, gerüchteweise Bellinzona Rockets …) ist die Liga ausgehöhlt. Zum ganz grossen Glück steigt wenigstens Chur auf. Zudem sind fast alle Clubs unter enormem Spardruck, weil sie die Kosten kaum mehr stemmen können. Diese Liga ist aber für das Gesamtprodukt Schweizer Eishockey von bedeutender Wichtigkeit. Ohne diese Zwischenliga zwischen dem Nachwuchs und der National League wird der Spielermangel in der 14er-NL bald akut. Die regionale Verankerung des Eishockeys leidet. Die Nachwuchs-Bewegungen dieser Club leiden unter der extrem frühen Abwanderung in die Grossclubs und auch sonst haben die Nachwuchsbewegungen der SL-Clubs zusehends Probleme mit dem wichtigen Betreiben einer einigermassen breiten und professionellen Nachwuchsbewegung.

Anderseits hat beispielsweise der Schweizer Cup gezeigt, dass das Niveau der besten MyHockey League Clubs nicht weit von dem der Swiss League entfernt ist. Basel und Olten setzten sich nur äusserst knapp in den Halbfinals durch. Während sich aber die Swiss League Clubs – auch wegen dem Traum NL-Aufstieg – einen absoluten Profibetrieb leisten, der entsprechend viel zu viel kostet (wer NL-Träume hat gibt mind. 5 Mio. und mehr aus …), wird auf der unteren Stufe mit deutlich weniger Kosten durchaus ansprechendes Eishockey gezeigt. Auch MyHockey League Clubs kommen aber aufwandmässig an die Grenze in ihrer Liga. Genau deshalb hat auch die darunter angesiedelte 1. Liga grosse Probleme, weil ihnen der Aufwand in der MyHockey League, verbunden mit den wirtschaftlichen Risiken zu gross ist. Diese 1. Liga ist aber ausgehöhlt durch die MyHockey League und es ist seit deren Einführung nicht mehr möglich, in der 1. Liga wie Jahrzehnte bewährt, in drei regionalen reinen Amateurgruppen zu spielen … also hat auch die 4.-höchste Liga ernst zu nehmende Sorgen.

Das Gebilde unter der NL ist also viel zu heterogen für drei Ligen. Deshalb sehe ich das Verschmelzen der Swiss League mit der MyHockey League als gangbaren Weg! Dieser Weg muss aber so sein, dass er finanzierbar ist, ambitionierten Clubs weiterhin erlaubt Visionen zu leben und vor allem so, dass so viele junge Spieler wie möglich unter guten Voraussetzungen erste Schritte im Erwachsenen-Hockey machen können.

Eine mögliche Lösung

Wie könnte man das umsetzen? Indem man unter der NL zwei Gruppen zu je mindestens zehn (evtl. elf oder zwölf) regionalen Teams vereint. Ich nenne diese Liga mal «Unterbau-Liga». Man spielt eine zwei-phasige Meisterschaft. Man nutzt September / Oktober / November, um innerhalb der Gruppe eine «Regionalrunde» zu spielen. Nach Abschluss spielen die sportlich besten Teams pro Gruppe dann national mit einem zu bestimmenden Modus eine «Top-Runde», um den Schweizer Meister des NL-Unterbaus auszuspielen. Dabei darf sich der Meister weiterhin für die NL bewerben und wenn er erfüllt, kann er weiterhin in die NL aufsteigen. Die übrigbleibenden Teams verbleiben in den Regionen und bilden z.B. mit den besten 1. Liga Teams je zwei neue regionale Gruppen und spielen in einem zu bestimmenden Modus je diejenigen Ränge aus, die in der kommenden Saison dann wieder zur Teilnahme in dieser Unterbauliga berechtigen. Man könnte sich auch da überlegen einen Titel auszuspielen. So ermöglicht man auch den ambitioniertesten 1. Liga-Teams, eine halbe Saison (mit machbarem finanziellem Mehraufwand) lang Visionen zu leben und attraktive Spiele gegen neue Gegner bestreiten zu können.

Eine solche «Unterbau-Liga» könnte gewisse Regulierungen beinhalten:

1) Trainiert wird überall z.B. ab 15.30 Uhr / 16.00 Uhr – so können/müssen die Spieler einem Studium oder einer Arbeit nachgehen und werden so weniger hoch entlöhnt, das heisst dass die Kosten deutlich sinken. Junge Talente werden so nicht schlechter, denn es ist egal, ob sie um 10.30 Uhr oder um 15.30 Uhr trainieren. Im Gegenteil: wer gut genug ist, kann zusätzlich am Morgen noch bei einem NL-Team trainieren, um sich möglichst dem NL-Niveau anzunähern. Zu diesen Zeiten nehmen die Fanionteams dem Nachwuchs auch kaum wichtige Trainingszeiten weg.

2) Die Anzahl Spieler älter als 25 Jahre wird limitiert (die Zahl wäre zu definieren).

3) Es gibt nach Abschluss der «Regionalrunde» einen «Mercato» für Spielerwechsel, so dass sich ehrgeizigere Clubs für die «Top-Runde» verstärken können. Die Regeln der Trainingszeit und die Ü25-Regel für die «Top-Runde» können ausgesetzt werden.

4) Ausländer sind erst ab und nur für die «Top-Runde» erlaubt – dafür gleichviele wie es in der NL sind (im Hinblick auf eine eventuelle spätere Ausmarchung gegen NL-Teams, denn so würde die ewige Streitfrage wer in einer allfälligen Ligaqualifikation wie viele Ausländer einsetzen darf, hinfällig). Man darf also Ausländer einsetzen, aber man muss nicht.

Wie dann allenfalls ein Aufstieg sportlich erreicht werden soll/kann, wäre weiter zu diskutieren (direkt, via Ligaqualifikation oder in einer Art Promotionsgruppe mit den NL-Teams, die nach 52 Runden «Ferien» haben …).

Die Vorteile

Eine so gestaltete «Unterbau-Liga» scheint viele positive Auswirkungen zu haben: 
Es würde Raum geschaffen für viele jüngere Spieler. Die Risken sich über 12 Monate ein teures Kader zu halten/leisten würden deutlich minimiert. Jeder Club könnte weiter seinen NL-Traum leben, ehrgeizig zumindest via «Top-Runde» den «Unterbau»-Titel anstreben oder eben in erster Linie Junge fördern wollen. Ein solches System würde den regionalen Charakter hochhalten. Es würde auch nur ganz begrenzt die Gefahr eines Verlustes des Platzes in dieser Liga bestehen, anderseits hätte man immer wiederkehrend die Chance, auch mal die «Top-Runde» zu erreichen. Rein wirtschaftlich gesehen, könnten Clubs viel bescheidener in die Saison starten und ganz freiwillig erst dann gewisse Mehrinvestitionen tätigen, wenn sie die Chance haben und sehen, in der «Top-Runde» etwas zu reissen. Heute riskiert ein Club mit Ambitionen jedes Jahr zwei bis drei Mio. zu viel auszugeben, um die Hoffnung hochleben zu lassen evtl. aufsteigen zu können es aber trotzdem kaum je zu schaffen … Dieses Risiko könnte also verkleinert werden …  Wer ambitiös ist und sportlich scheitern würde, könnte die wirtschaftlichen Konsequenzen deutlich vermindern. Ganz abgesehen von all diesen Argumenten würden die Clubs immer wieder neue Konstellationen und Gegner vorfinden. Marketingspezialisten könnten sich auch mal überlegen, ob der erwähnte «Mercato» irgendwie spektakulär aufgezogen werden könnte.

Lasst die (Gedanken)-Spiele beginnen

Last but not least: solche Lösungen würden bedeuten, dass die sinnlose Reduzierung und Fokussierung auf die eventuell besten Talente bereits ab 14 beginnt und man Spätentwicklern eben deutlich mehr Beachtung schenken müsste, als das heute gemacht wird! Es ist meines Erachtens eh eines der ganz wichtigen Ziele für das Schweizer Eishockeys mehr Spieler auch für das Erwachsenenniveau auszubilden. 
Ich habe fertig – Feuer frei für «Vergiss es», «Geht nicht», «Spinnerei» und «Dumme Idee». Jeder darf denken und sagen, was er will. Mir ist es persönlich völlig egal, wie solche Ideen ankommen. Wer sie hart kritisiert, ablehnt oder belächelt, darf das ungeniert, soll dann argumentieren und bessere Gedanken formulieren – dann geht wenigstens was. 
Wer weiss, vielleicht gibt’s ja Lösungen … denn wo ein Wille ist, gibt’s meistens auch einen Weg!