Text von Thomas Roost, Header-Fotos: IIHF
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Unsere Jungs haben von A-Z abgeliefert. Die Vorbereitung, der Formstand, die Betreuung, das Turnierformat mit den zugeteilten Gegnern, die mentale Einstellung, der Spass, die Freude, gepaart mit der notwendigen Ernsthaftigkeit. Alles hat gepasst. Kein einziges schwaches Spiel, keine Arroganz, nur eitel Spielfreude und nicht so wie einige Titanen: Respekt vor allen Gegnern. Die vielen Siege waren allesamt verdient! Ich ziehe den Hut vor den Spielern, dem Coachingteam und dem Staff: Grosses Kino!
Die Silbermedaille hat bestätigt, dass wir mittlerweile auch auf grosser Bühne ein sehr ernst zu nehmender Gegner sind. Die Breite, die Tiefe im Kader ist mittlerweile so gross, dass Absenzen von guten Spielern problemlos kompensiert werden können und/oder Diskussionen über die Nominierten oder nicht Nominierten müssig sind.
Auch in diesem Jahr haben mir die Neulinge grossmehrheitlich sehr gut gefallen. Über die NHL-Verstärkungen müssen wir eh nicht diskutieren, da wissen wir seit Jahren, wie wichtig und dominant sie sein können und meistens auch sind. Eindrücklich – vor allem im Gegensatz zu anderen Top-Nationen – die Selbstverständlichkeit, die Freude und die Hingabe unserer NHL-Cracks, nach einer langen, zermürbenden NHL-Saison unserem Team unverzüglich helfen zu wollen.
Der vermutlich grösste Unterschied zu den bereits mehrfach mit WM-Gold dekorierten Topnationen war aber vermutlich der «Hunger», die Leidenschaft, der unbedingte Wille, diese sehnlichst erwartete Goldmedaille endlich nach Hause zu bringen.
Jetzt ist es eine weitere Silbermedaille; sie ist ein weiterer Meilenstein in der Schweizer Sportgeschichte. Ich hoffe ganz fest, dass die Begeisterung in unserem Land dazu führt, dass alle Jungs Eishockey spielen wollen. Die Medaille wird auch das Selbstverständnis der Qualität in der Breite unseres Eishockeys weiter stärken. Unsere Jungs dieser silbernen Generation werden künftig mit noch breiterer Brust bei Schlüsselspielen antreten.
Die Jungs haben uns grosse Freude bereitet. Ein riesengrosses Dankeschön hierfür, wir verneigen uns!
Last but not least: Gratulation an die USA! Obwohl die Schweiz auch im Final ein sehr gutes Spiel gezeigt hat, gilt es zu anerkennen, dass die USA den Final verdient gewonnen hat. Ihre doch leicht bis mittelmässig spürbare überlegene individuelle Klasse betreffend Skating, Scheibenkontrolle, Board- und Cornerbattles war augenscheinlich – und nicht zu vergessen: Dies war «nur» die zweite Garnitur der USA...
Allerdings gab es bei uns mit Josi und Hischier ebenfalls zwei namhaft Abwesende, und trotzdem konnten wir zu einem guten Teil dank Leo Genoni bis ganz zum Schluss von Gold träumen.
Foto: Leonardo Genoni
Fotocredits: IIHF
Dies kurz und trocken vorweg: Der wiederholte Vizemeistertitel bedeutet nicht, dass wir die Nr. 2 auf der internationalen Eishockeylandkarte sind. Nr. 6, 7, 8 oder 9, mit aktuell leichter Tendenz zu den Nummern 6 oder 7, so schätze ich unsere heutige Nati im Vergleich ein – vorausgesetzt, bei uns wie auch bei allen anderen Teams stehen die bestmöglichen Spieler zur Verfügung und auch unter der Voraussetzung, dass wir bei diesem Ranking Russland und Belarus miteinbeziehen.
Ich hoffe, dass wir alle selbstbewusst genug sind, diese sachliche Beurteilung zu teilen, denn Sand in die Augen streuen tun nur Verlierer mit zu wenig Selbstvertrauen; Sand in unseren Augen… dies wäre der sportlichen Zukunft alles andere als förderlich.
Die jährlich stattfindende IIHF-WM ist leider kein Stelldichein der Besten der Besten wie bei Weltmeisterschaften in anderen Sportarten, sondern «nur» ein hochkarätiges internationales Turnier. Beim neuen Weltmeister USA stand mit Zach Werenski nur ein einziger Spieler am 4-Nations-Turnier vom vergangenen Februar im US-Kader.
Ok, Goalie Jeremy Swayman war beim 4-Nations als Nr. 2-Goalie auch noch mit dabei. Bei der Kaderbenennung für das US-Olympiateam werden neben Werenski und Swayman als Nr. 2 kaum oder nur einzelne Spieler dieser Goldtruppe mit dabei sein. Die USA nominieren seit Jahren – und dies war auch in diesem Jahr so – für die IIHF-WM mehr oder weniger U24-Teams und stellen regelmässig die deutlich jüngsten Mannschaften.
Der Erfolg an den IIHF-WMs ist für USA-Hockey nicht prioritär bedeutend. Die WM-Turniere sind für sie Bühnen für die noch jungen, international unerfahrenen Spieler, um sich weiterzuentwickeln.
Foto: Nino Niederreiter
Fotocredits: IIHF
Wenn die Schweiz z. B. am Olympiaturnier 2026 die Halbfinalqualifikation schafft – unter Teilnahme Russlands, was nicht der Fall sein wird – dies hätte für mich den grösseren sportlichen Stellenwert als ein IIHF-WM-Titel.
Es zeichnet sich auch ein von der NHL regelmässig organisierter Wettbewerb der Besten der Besten ab. Und auch da – falls wir uns qualifizieren – eine Halbfinalqualifikation, oder nur schon die Elimination bei einem solchen Turnier einer Nation der Top6, z. B. Tschechien, Finnland oder Schweden, dies wäre ein nächster Meilenstein in unserer Eishockeygeschichte.
Wir haben für diesen «Coup» noch ein Zeitfenster von ca. 3–5 Jahren zur Verfügung. Für die Zeit danach deutet sich eine relative Dürre an, und ich hoffe ganz fest, dass die aktuelle Begeisterung auch dazu führt, unsere darbende und etwas selbstgefällige Nachwuchsförderung wieder auf Vordermann zu bringen.
Qualitativ gleichwertige Nachfolger für Topshots wie z. B. Josi, Fiala, Hischier, Meier, Niederreiter, Malgin sind leider noch nicht in Sicht. Die Breite, die Tiefe im Kader – dies ist ein klarer Fortschritt im Schweizer Eishockey.
Wir haben auch im Weltklassevergleich mittlerweile ziemlich viele gute Spieler und können verletzte gute Spieler durch andere gute Spieler problemlos und ohne Qualitätsverlust ersetzen. Was im Vergleich zu den Top-Nationen fehlt, sind die «Unterschiedspieler», die «Special Players». Die Top-Nationen haben deutlich mehr davon als wir.
D. h. wir benötigen künftig wieder mehr junge Spieler, die im NHL-Draft in der ersten Runde gezogen werden. Ich hoffe, dass dieses mittel- bis langfristige Manko in der Goldmedaillen-Euphorie nicht vergessen geht.
Foto: Schweizer Mannschaft
Fotocredits: IIHF
Dem Unterhaltungswert geschuldet ganz zum Schluss doch noch ein wenig in die tendenziell Irre führende Polemik.
Zuerst die Positive: Die Schweiz hat kein einziges Spiel in der regulären Spielzeit verloren und hat im gesamten Turnier die meisten Tore erzielt, die wenigsten Gegentore erhalten und am wenigsten gegnerische Torchancen zugelassen – und dies ohne unsere vielleicht zwei besten Spieler, Josi und Hischier. Die Spiele gegen kleine Nationen haben wir allesamt erfrischend dominiert.
Die Negative: Der Spielplan resp. der «Puckluck-Gott» hat uns das leichtest mögliche Spielprogramm beschert. Von den insgesamt 10 Spielen durften wir uns 7 Mal gegen «kleine» Nationen messen, davon in zwei von drei KO-Spielen. Von den nur gerade drei Spielen gegen die Top6-Nationen haben wir zwei verloren, und der einzige Sieg – gegen die USA2 – stammte aus einem verhältnismässig unbedeutenden Gruppenspiel.
Im Final gegen die USA2 konnten wir kein einziges Tor und insgesamt nur wenige Torchancen kreieren, und der Sieg der USA2 war gemessen an den Spielanteilen verdient. Fertig Polemik.
Danke, Schweizer Nati, für die grossartigen zwei Wochen. Ihr habt uns viel Freude bereitet.
Danke auch an die SRF-Kommentatoren, die es einmal mehr geschafft haben, mit ihrem immer positiven und Freude verbreitenden «Approach» unsere Nati dem breiten Publikum perfekt zu verkaufen.
Es waren zwei schöne Eishockeywochen – oder waren es drei?
![]() | Thomas Roost ist seit 1996 NHL-Scout für den Central Scouting Service und verfolgt die beste Liga der Welt hautnah. |