Die Saisonanalyse des Titelverteidigers

Für Titelverteidiger Genf ist die Saison bereits nach der Play-In-Serie gegen den EHC Biel zu Ende. MySports-Experte Ueli Schwarz blickt in seinem neuesten Blog «Schwarz oder doch Wiis?» zurück auf die Saison der Calvinstädter. 

Nach 2 grossen Titelfeiern innerhalb von 10 Monaten ist in Genf Ernüchterung eingetreten.
Mit einer inkonstanten Saison und den 6 letzten Saisonspielen hat der amtierende Meister und Champions-League-Sieger in der National League alles aus den Händen gegeben und startet somit als 3. Team frühzeitig in die Sommerpause. Wie muss man die Saison 23/24 einordnen?

Es war eine «Saison der Extreme und Inkonstanz». Am 22.2. ein elektrisierender Sieg in der Champions League und da ein 10. Platz in der Regular Season und ein Ausscheiden im Play In.
Die Voraussetzungen war nicht einfach: sehr spätes Saisonende mit viel Party & Feiern, dadurch ein sehr kurzer physischer Aufbau im Sommer, eine sehr kurze Vorbereitungsphase auf dem Eis im August und dann folgte sofort die Wettkampfsaison mit dem Beginn der CHL und dann der National League. «Das Jahr danach» ist mental und einstellungsmässig eines der Schwierigsten und Herausforderndsten. Das zeigte sich bei Servette ganz deutlich, wie übrigens auch bei Biel und den Lakers, die ihre sehr gute Vorsaison auch nie richtig wegstecken konnten und alle drei Mühe hatten. Nur ganz wenig weniger macht in dieser Liga eben ganz schnell viel aus….

Gleich vom Start weg war die Inkonstanz allgegenwärtig. In den ersten 10 Spielen gelangen nie zwei Siege nacheinander. Im Oktober schien sich das Team zu fangen mit 4 Siegen de suite, aber es war eben nur Schein…denn bis Weihnachten verlor das Team ebenso viele Spiele, wie es gewinnen konnte. Das setzte sich im Januar & Februar fort und vor allem der Schluss der Regular Season war wieder sehr enttäuschend.

Das beste und begeisternde Servette sah man in der CHL aber auch in der NL durchaus auch in dieser Saison – Wucht, Puckmanagement, Possessionspiel in der Offensivzone und ein magistrales Powerplay. Nur war das heuer weniger der Fall als vor Jahresfrist.

Wie ausgeführt, waren die Voraussetzungen nicht ideal, und trotzdem kamen im Laufe der Saison Entwicklungen dazu, die zur letztlichen Enttäuschung führten: Der Meister und CHL-Sieger war sehr stark von den ausländischen Superstars geprägt. Diese Fraktion hat aber deutlich weniger dominant gespielt als noch im letzten Frühling (mit Ausnahme der CHL). 
Mir scheint, dass die wiederum hohen Eiszeiten in dieser Saison nicht mehr gleich gut verkraftet werden konnten, wie noch im Vorjahr. Zu oft konnte beobachtet werden, dass das Team im Laufe eines Spiels nachliess und abbaute.

Tömmernes-Abgang – eine riesige Herausforderung - konnte nicht kompensiert werden. Lennström hatte Pech mit einer langen Verletzung und war nach der Rückkehr bei Weitem nicht so dominant wie sein Vorgänger. Auch der temporäre Einsatz von Julius Honka – beim SCB in Ungnade gefallen – war kein Garant für Stabilität. Vatanen – von Haus auf viel besser offensiv als defensiv – spielte enorm viel ( zu viel ?) und wesentlich erfolgreicher offensiv als defensiv. Die Ankerqualitäten eines Tömmernes hingegen konnte er nicht ausspielen.

Manninen – er als Omark Ersatz – startete für seine Verhältnisse verhalten, steigerte sich aber zusehendes und war im enttäuschenden Saisonfinale der einzige wirklich überzeugende Ausländer.

Die ganz grosse Enttäuschung war Hartikainen. Seine Torproduktion war zwar noch einwenig grösser als seine Laufradien auf dem Eis (11 Tore sind für einen top bezahlten Superstar ungenügend, vorallem weils im Vorjahr deren 28 waren…!). Er schien nie in Form, wirkte oft träge, bequem, ohne Laufbereitschaft und sein fehlendes Rendement fiel enorm ins Gewicht.

Ähnliches gilt es von Winnik zu sagen. Er war über Jahre ein Garant für einen Scorerpunkt pro Spiel, erreichte diesen Wert aber bei Weitem nicht mehr. Auch das hinterliess im ganzen Gebilde eine zu grosse Lücke. Zu seiner Entschuldigung muss man sagen, dass er lange verletzt ausfiel.

Auch Filppulas Rendement ging zurück. Begeisterte dieser Ausnahmekönner im Vorjahr noch mit überragenden 51 Scorerpunkten, waren es zwar immer noch gute 38 dieses Jahr. Doch auch er öffnete damit eben eine Lücke, die niemand anders im Team zu schliessen vermochte.

Förderlich war sicherlich auch nicht, dass Miranda und zuletzt Richard und Rod ausfielen.  

Das restliche Kader konnte schlicht die fehlenden Importwerte im Vergleich zum Vorjahr und die gewichtigen Ausfälle nicht kompensieren. Weder Pouliot, noch Bertaggia noch Jooris konnten sich in einem Masse steigern, dass das Fehlende kompensiert werden konnte. Auch kein Spieler der zweiten Garde zeigte eine wirklich gute Saison.


 

Ein ganz wesentlicher Pfeiler der Servette Erfolge waren Torhüter Mayer im Frühling und Olkinuora in der CHL. Mayer war im Gegensatz zum Vorjahr durchschnittlich aber selten überragend. Das zeigt sich im Verhältnis der zu erwartenden Gegentore zu den effektiv zugelassenen. Dieser Wert ist im Vergleich zum Vorjahr eben nur durchschnittlich. Olkinuora zeigte seine Klasse, aber auch er schwächelte in der Schlussphase und kassierte leicht mehr Tore als es nach Analytics hätten sein sollen. Kam dazu, dass gerade in der Schlussphase mit einigen Verletzten das Einsetzen eines Ausländers im Tor eben Kopfzerbrechen in der Verteidigung und im Sturm auslösten.In der CHL war das egal, weil dort die Anzahl der Imports nicht limitiert war. Descloux ist einmal mehr schwierig einzuschätzen. Dass er ein sehr guter Goalie sein kann, sah man auch wieder (er hat in etwa so abgewehrt wie s zu erwarten war) , aber man müsste mal sehen, dass er das auch konstant über eine Saison sein kann. Wiederum fehlte er oft aus Gesundheits- und Verletzungsgründen.

In der Summe war der sich überall offenbarende Leistungsrückgang eben zu gross. Servette war ist und bleibt ein Gegner, der an einem guten Abend keinen Gegner zu scheuen braucht. Dass aber ein solches Team nur einwenig nachlässt und gleich ausser Rang und Traktanden fällt, ist ein Kompliment an die Ausgeglichenheit der Liga.

Das Management hat bewiesen, dass es versteht, mit beträchtlichen Mitteln Titel zu holen. Das verdient Respekt. Es wird nun aber gefordert sein, richtige Schlüsse zu ziehen und einen Umbau in Angriff zu nehmen, der aus Servette ein nachhaltig erfolgreiches Team macht.