Jason Robertson, der «vergessene» Superstar

Es ist ziemlich unbestritten, Connor McDavid ist der beste Eishockeyspieler der Welt. Nathan McKinnon, Auston Matthews, Cale Makar, Leon Draisaitl, Nikita Kucherov und noch immer Sidney Crosby werden bei diesen Diskussionen auch immer mal wieder genannt.

Medial schon fast vergessen wird der Dallas Stars Superskorer Jason Robertson. Dallas ist keine Eishockeyhochburg und nicht zu Vergleichen mit dem «Hype» den Robertson auf sich ziehen würde, wenn er in Montreal, Toronto oder New York spielen würde. 

Höchste Zeit darum, ihn an dieser Stelle zu würdigen und vorzustellen. Zuerst die Fakten, die Stats: Robertson führt aktuell die Torschützenliste der NHL an, keiner hat bis jetzt so viel getroffen wie er. 19 Tore stehen nach 23 Spielen bei ihm auf dem Konto, ein unglaublicher Wert. Eindrücklich hierbei ist, dass der Kalifornier mit seinen erst 23 Altersjahren mindestens theoretisch noch nicht auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit angekommen ist. Hinzu kommt, diese eindrückliche Tor-Performance ist keine Eintagsfliege. Bereits in der letzten Saison gehörte er mit 41 Toren aus 74 Spielen zu den allerbesten Torschützen der Liga. 

Stärken:
Jason Robertson ist unglaublich produktiv. Es gibt Spieler, die mir beim Scouting sofort auffallen und ich zu schwärmen beginne, am Ende des Tages gehe ich nach Hause, kontrolliere das Score-Sheet und da steht eine Brille: O Tore O Assists. Robertson ist exakt das Gegenteil. Er fällt kaum auf, weder durch exzellentes Skating, noch durch Zaubereien mit dem Puck am Stock, aber am Ende gehst du nach Hause, kontrollierst das Score-Sheet und Robertson steht mit einem Tor und einem Assist zu Buche. Robertson liebt die Schussoption und trainiert diese auch exzessiv, und zwar in allen Varianten. Er ist ein Meister der so genannt «ugly Goals», Ablenker, Verwertung von Rebounds, Schüsse aus kurzer Distanz. Robertson versteht es meisterhaft, sich in verheissungsvolle Schusspositionen zu bringen, dabei kann er auch eng abdeckende Verteidiger gut abschütteln. Er ist viel so genannt «open» und versteht sich sehr gut mit dem Center Roope Hintz. Seine Instinkte und seine Spielintelligenz rund ums Tor sind hoch entwickelt. Hockeytechnisch verfügt Robertson über schnelle Hände und er kann ansatzslos, schnell schiessen und seine Schussvarianten sind nicht zu selten auch kreativ. Weil er sich als ewiger Student des Spiels versteht, analysiert er detailliert Wahrscheinlichkeiten von sich entwickelnden Spielzügen, resp. von «loose» Pucks, auch darum gilt er als sehr smarter Spieler. Er steht sehr oft am richtigen Ort zur richtigen Zeit und besticht zudem mit viel Geduld mit dem Puck am Stock. Robertson ist aber nicht nur ein begnadeter Torschütze, er kreiert auch extrem viele Torchancen.
 

Schwächen:
Er ist weder besonders flink noch ein besonders guter Skater, eher das Gegenteil ist der Fall und darum steht er bei den Experten und Fans (noch) nicht überall so hoch im Kurs. Die Coaches bemängeln hin und wieder sein Spiel ohne Scheibe betreffend Defensivverhalten. Diese Kombination von verhaltener Wertschätzung seitens der Fans gepaart mit der Kritik von Coaches und dem überschaubaren Eishockeymarkt in Texas führt vermutlich dazu, dass er in meiner Wahrnehmung noch nicht den Stellenwert als NHL-Superstar erreicht hat, den er eigentlich verdient. 

Aufgrund des alternden Duos Jamie Benn und Tyler Seguin habe ich den Dallas Stars nicht mehr als eine mittelmässige Rolle in der aktuellen NHL zugetraut, dabei habe ich unterschätzt, wie gut Goalie Jake Oettinger, Center Roope Hintz und die Tormaschine Jason Robertson bereits sind. 

  


Thomas Roost

Thomas Roost ist seit 1996 NHL-Scout für den Central Scouting Service und verfolgt die beste Liga der Welt hautnah.  Für MySports ist Roost als NHL-Experte & Co-Kommentator im Einsatz. In seiner wöchtenlichen Kolumne «Roosts Ramblings» schreibt er über Themen aus der NHL und der grossen Hockey-Welt.

https://www.thomasroost.com I Twitter: @thomasroost