Die Goaliefrage: Die NHL lässt einmal mehr aufhorchen

Die Goalieleistungen in den Playoffs sind ein sehr wesentlicher Baustein, um den Stanley Cup gewinnen zu können. Die Differenzierung liegt hier beim Wort «Goalieleistungen» und weniger beim Wort «Goalie» allein. D.h. ich bin dezidiert der Meinung, dass auch mittelmässige Goalies, wenn sie zufälligerweise während den Playoffs heisse Wochen einziehen – und das tut jeder Goalie von Zeit zu Zeit – Wesentliches zum Gewinn des Stanley Cups beitragen und vice versa: Auch sehr gute, überdurchschnittliche Goalies können während den Playoffwochen «kalte» Phasen einziehen – und auch dies tut jeder Goalie von Zeit zu Zeit – und werden somit «mitschuldig» bei einem Scheitern. Das Problem ist, dass wir kaum je wissen, welche Goalies zu welcher Zeit ihre heissen und kalten Phasen abliefern, es ist bis zu einem gewissen Grad ein Glücksspiel. An dieser Stelle meine ergänzende klare Meinung: Mit unterdurchschnittlichen Goalieleistungen gewinnt man rein gar nichts.

Eher gegenteilig ist die Mehrheitsmeinung: Goalies sind die wichtigsten Spieler, ja von Mr. 50% wird sogar gesprochen.

Zurück zur NHL:

Colorado hat mit Darcy Kuemper den Stanley Cup gewonnen, er gilt unter Experten als durchschnittlicher NHL-Goalie und seine Leistungen in den Playoffs waren mehr oder weniger solide, durchschnittlich, würde ich sagen; er hat am Anfang noch unter den Nachwehen einer Augenverletzung gelitten. Beweist dies die Richtigkeit meiner These? Selbstverständlich nicht, denn der so genannte «Sample Size» ist anhand eines einzigen Beispiels selbstverständlich viel zu klein. Ja, es gab auch früher Stanley Cup Sieger mit «nur» durchschnittlichen Goalies (z.B. Osgood, Detroit Red Wings), aber wie gesagt, beweisen tut dies rein gar nichts, aber es lässt immerhin aufhorchen. Wir Menschen stellen uns zu oft selbst eine Falle, indem wir anhand eines Einzelbeispiels, eine allgemein gültige Regel «beweisen» wollen. Diesen Fehler gilt es zu vermeiden, Demut ist angesagt.

In diesem Zusammenhang ist es aber sicher spektakulär zu verfolgen, wie NHL-Franchises diese Goaliefrage behandeln. Für die laufende Saison gelten die Colorado Avalanche und die Toronto Maple Leafs bei vielen Experten als Favoriten auf den Cup. Bei beiden orten wir aber eine vordergründig klare Schwäche auf der Goalieposition. Beide Stanleycupfavoriten haben im Vergleich ein unterdurchschnittliches Goalieticket und geben salärmässig auch weniger Geld aus für diese Position als die meisten Konkurrenten im erweiterten «Contender-Kreis». Colorado mit Francouz und Georgiyev, Toronto mit Murray und Samsonov. Kaum ein Goalieexperte wird auch nur einen dieser vier Torhüter in der ersten Hälfte eines NHL-Goalierankigs listen. Dies ist doch immerhin eine interessante Feststellung. In Zeiten des Salary-Caps ist es klar, dass es keine Teams ohne Schwachstelle gibt, irgendwo müssen immer Kompromisse gemacht werden und Colorado und Toronto haben sich für den Kompromiss auf der Goalieposition entschieden. Nicht zu vergessen: Beide Franchises werden von smarten GMs geführt, einerseits Joe Sakic bei der Avalanche und andererseits Kyle Dubas bei den Maple Leafs. Ich bin sehr gespannt, wie sich all dies entwickelt. Ein erster Augenschein in der noch viel zu jungen Saison indiziert tatsächlich Goalie-Probleme bei beiden Franchises: Aber zurück zu den Fallen, die uns früh in einer Saison gestellt werden: Der Sample Size ist noch viel zu klein, um bereits seriöse Antworten auf die Goaliefrage bei der Avalanche wie auch bei den Maple Leafs präsentieren zu können. Das Verfolgen dieses Aspekts ist aber hochinteressant. 

  


Thomas Roost

Thomas Roost ist seit 1996 NHL-Scout für den Central Scouting Service und verfolgt die beste Liga der Welt hautnah.  Für MySports ist Roost als NHL-Experte & Co-Kommentator im Einsatz. In seiner wöchtenlichen Kolumne «Roosts Ramblings» schreibt er über Themen aus der NHL und der grossen Hockey-Welt.

https://www.thomasroost.com I Twitter: @thomasroost