Wie von einem anderen Stern

Die Calgary Flames gingen als klarer Favorit in die Serie gegen die Oilers: Bessere Regular Season, bessere Kadertiefe, besseres «Grinding», so genanntes «Heavy Hockey» schlägt «Finesse Hockey», besserer Goalie, besserer, ausgeglichenerer Top-Unit. Es sind aber die Oilers welche die Serie mit 4-1 gewonnen haben und die Gründe sind vielfältig: Die Flames haben ihren «Grindingstyle» nicht richtig aufs Eis bringen können, ihr Top-Unit performte ok, aber nicht gut genug, die vermeintlich bessere Kadertiefe wurde von den Oilers vor allem mit Draisaitl, dann aber auch mit Hyman, Nugent-Hopkins und Kane stark in Frage gestellt und sogar Goalie Mike Smith spielte besser als Jakob Markström und dies obwohl Mike Smith auch in dieser Serie wieder unglaubliche Fehler unterlaufen sind.

Top-Level nach oben geschraubt

Der Hauptgrund ist aber Connor McDavid. Seit Jahren gilt er bei Experten fast unwidersprochen als der beste Spieler der Welt und er hat dies auch in dieser Regular Season einmal mehr bestätigt. Was McDavid aber in diesen Playoffs aufs Eis zaubert ist Eishockey von einem anderen Stern. Er hat seinen Top-Level als weltbester Spieler nochmals um eine Stufe erhöht und wir wissen alle, wie schwierig Fortschritte zu erzielen sind, wenn bereits ein Toplevel erreicht worden ist. Der aktuelle Connor McDavid besticht nicht nur durch seine unglaubliche Anzahl Skorerpunkte sondern auch mit einem ziemlich kompletten so genannten «200 Feet game», d.h. er präsentiert komplettes Eishockey nach hinten wie nach vorne.  

Es gab Szenen in diesen Playoffs, in denen McDavid seine Weltklassegegenspieler wie Schulbuben aussehen liess. Er spielte ihnen Knöpfe in die Beine, so dass selbst begnadete Skater ins Straucheln kamen wie ein frisch geborenes Bambi bei seinen ersten Gehversuchen. McDavid kreist wie ein Adler in den Lüften und wenn er die Chance wittert, dann setzt er im Sturzflug zur Attacke an; seine Beute ist chancenlos.

Wenn der Gegner zum Schulbuben wird

Es gibt unglaubliche Szenen – und dies in der NHL, der besten Liga der Welt, mit ausschliesslich begnadeten Eishockeyprofis – in denen es bei McDavid ausschaut, wie bei einem Fussballgrümpelturnier bei dem ein Exprofi auf ein Team mit lauter Bierkneipenkumpels trifft, derart krass ist der Leistungsunterschied in einzelnen Szenen zwischen McDavid und den ihn attackierenden Gegenspielern. Sein Leistungssprung auf diesem bereits extrem hohen Level – wie gesagt, er ist und war bereits der beste Spieler der Welt – ist extrem eindrücklich und wurde auch von Experten nicht in diesem Ausmass erwartet. McJesus? Den Calgary Flames ist es erst in den Spielen 4 und 5 ansatzweise gelungen, McDavid ein klein wenig an die Kette zu legen, der McDavid vom anderen Stern wurde wieder zum «normalen» McDavid, zum «nur» besten Spieler der Welt und dann kam die Overtime im Spiel 5: Edmonton steht Kopf!

Denkt daran, in Edmonton gibt es nur die Oilers und die Kirche. Vermutlich darum hat McJesus kurz grüssen lassen.

  


Thomas Roost

Thomas Roost ist seit 1996 NHL-Scout für den Central Scouting Service und verfolgt die beste Liga der Welt hautnah.  Für MySports ist Roost als NHL-Experte & Co-Kommentator im Einsatz. In seiner wöchtenlichen Kolumne «Roosts Ramblings» schreibt er über Themen aus der NHL und der grossen Hockey-Welt.

https://www.thomasroost.com I Twitter: @thomasroost