Nico Hischier – die Entwicklung vom guten NHLer zum NHL-Star

Nico Hischier hat als 1st-Overall-Pick im NHL Draft nie enttäuscht, er hat von Anfang an die Erwartungen erfüllt, wurde jüngster NHL-Captain und hat jetzt den nächsten Schritt getan. Vom guten NHL-Spieler zum Star. Auch in der Rolle als Captain hat sich enorm entwickelt, dies geht aus Bemerkungen seiner Mitspieler hervor. Typisch Nico: Lernfähigkeit ist eines seiner Markenzeichen. Bereits als Junior wurde ihm attestiert, dass er z.B. bei neuen Uebungen im Training, sofort alles verstanden und umgesetzt hat, so, wie kaum ein anderer Spieler in seinem Alter. Bereits als 12-Jähriger hat er die Eisfläche mit einem Spielverständnis bereichert, wie dies sonst nur 25-Jährige tun können. Ebenfalls bereits als Junior hat er angedeutet, dass er auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit ein Weltklasse-Zweiwegcenter werden könnte.

Jetzt, mit 24 Jahren, ist er exakt dort angelangt, er hat sich vom guten NHL-Spieler zum NHL-Star entwickelt und die Reise ist noch nicht zu Ende; Nico hat das Potenzial zum Superstar, er ist vielleicht der einzige junge NHL-Center der das Potenzial hat, dereinst Patrice Bergeron zu beerben. Seine Lernfähigkeit und sein hoch entwickeltes Hockeybrain ist ein sehr wesentliches Puzzleteil zum Erfolg des New Jersey Devils Spielsystems, das kaum gross anders ist als dasjenige vieler anderer NHL-Teams, aber spürbar besser interpretiert wird. In einfachen Worten ausgedrückt setzen die - betreffend Speed - überdurchschnittlich besetzten Devils die Gegner mit extrem aggressivem Forechecking aller drei Forwards unter Druck, ja selbst die Verteidiger sind Teil dieser Strategie. Mit diesem äusserst aggressiven Forechecking haben die Gegner grosse Mühe, weil es sie zu Fehlern zwingt. Viele der Devils Torchancen resultieren aus solchen, schon fast erzwungenen, Fehlern des Gegners. Der Druck auf den Puck ist bei den Devils hoch entwickelt, fordert von den Spielern aber einiges ab und Nico Hischier ist perfekt in der Interpretation, in der Umsetzung dieser Strategie. 

Auch beim Backchecking setzen die Devils vor allem auf das «Druck machen» auf den Puck-Träger, während sie in der eigenen Zone – wie die meisten Teams – Zonendeckung praktizieren. Der Unterschied zwischen den Devils und anderen Teams mit ähnlichem System ist die unglaubliche Ausführungsaggressivität. Dank der Lernfähigkeit und dank des Spielerprofils von Nico Hischier wage ich zu behaupten, dass das Devils-System vor allem auch wegen Nico derart gut funktioniert. Die Coaches scheuen nicht davor, Nicos Linie gegen die Topshots der gegnerischen Teams laufen zu lassen, gegen McDavid, gegen Matthews und es gelingt Nico immer wieder, deren Kreativität einzudämmen. Nicht nur dies – und das zeichnet Weltklassezweiwegcenter aus – er produziert auch selbst Skorerpunkte mit einer ungefähren «Pace» von einem Punkt pro Spiel. D.h. Nico ist zum kompletten Spieler auf höchstem Niveau gereift. In der Offensivzone mit dem Puck täuscht Nico oft einen «Move», einen Pass oder einen Torschuss an, um zu provozieren, dass sich die gegnerischen Defender tief positionieren, um dann seine eigenen, nachrückenden Defender in den Spielzug integrieren und ihnen winzige Zeitvorteile offerieren zu können und somit Optionen zu schaffen. Nico ist extrem kompetitiv, super smart und sehr stolz auf sein Zweiwegspiel. In den ersten Jahren seiner NHL-Karriere hat Nicos Offense ein klein wenig unter dem Ziel gelitten, ein auch defensiv starker Center werden zu wollen. Jetzt aber, nachdem er sein Forechecking verfeinert hat, kommen die offensiven Optionen zurück und er punktet häufiger. Nico ist etwas gelassener, etwas geduldiger geworden und auch im Lesen des Spiels hat er sich von «gut» zu «sehr gut» entwickelt. Sein Energielevel war schon immer hoch, hat aber in ganz jungen Jahren hin und wieder dazu geführt, dass er bei seinen Aktionen zu schnell zu viel wollte. 

Sein Energielevel ist zum Glück gleich hoch geblieben, aber er setzt diese Energie jetzt noch intelligenter ein. Zudem hat er in den letzten Jahren seine «Puck-Protection-Skills» verfeinert und zeigt sich dadurch in den Zweikämpfen entlang der Bande und in den Ecken als extrem stark und erfolgreich. Eine weitere Beobachtung ist, dass Nico kaum je stehen bleibt, er ist, wie zu seinen guten Zeiten Christian Dubé, immer in Bewegung und – eher untypisch für einen Europäer – nachdem er einen erfolgreichen Pass gespielt hat, attackiert er mit Vollgas das Netz. Im Powerplay ist Nico wertvoll, weil er die Rolle des so genannten «Bumpers» und die «Net-Front-Position» sehr gut interpretiert; dies dank seiner Fähigkeit zu antizipieren und das wenige «Open Ice» zu finden und sich dort «open» zu positionieren.

Nico Hischier ist noch nicht ganz auf dem Level des Patrice Bergeron zu seiner Blütezeit, aber er marschiert in diese Richtung. Vom guten NHL-Zweiwegcenter zum NHL-Starcenter. Wohin führt die Reise? Zum NHL-Superstar? Ich glaube, dass Nico Hischier dies schaffen kann, falls er von schwerwiegenden Verletzungen verschont bleibt. Wir alle wünschen es ihm!

  


Thomas Roost

Thomas Roost ist seit 1996 NHL-Scout für den Central Scouting Service und verfolgt die beste Liga der Welt hautnah.  Für MySports ist Roost als NHL-Experte & Co-Kommentator im Einsatz. In seiner wöchtenlichen Kolumne «Roosts Ramblings» schreibt er über Themen aus der NHL und der grossen Hockey-Welt.

https://www.thomasroost.com I Twitter: @thomasroost