Wie gut sind die Schweizer Jahrgänge U20, U18 und U17?

Im August findet immer das wichtigste U18-Turnier der Saison statt und in diesem Jahr sogar auch noch die wegen Covid verschobene U20-WM. Hinzu kommen Turniere in Russland die ebenfalls einen hohen Stellenwert haben, weil die Russen vorläufig von den wichtigen U20- und U18-Turnieren ausgeschlossen sind. Noch nie war der Saisonstart für die Scouts derart anspruchsvoll, der Terminkalender gerappelt voll und die Reiselogistik kaum je zuvor so kompliziert. Auch qualitativ wird diese Saison für die Scouts so schwierig wie noch nie, denn es gilt, die russischen Spieler im internationalen Vergleich einzuordnen, obwohl wir sie in kompetitiven internationalen Spielen nie beobachten werden können. 

Bevor ich mich etwas detaillierter mit den Leistungen der Schweizer Juniorenauswahlmannschaften befasse, ist es wichtig, dass die erwähnten Turniere und internationalen Partien richtig eingeordnet werden, denn dies wird aus meiner Sicht von offizieller Seite nicht immer transparent genug kommuniziert.

U20

Das wegen Covid abgebrochene Weltmeisterschaftsturnier im Dezember wurde neu angesetzt und wird jetzt im August nachgeholt. Leider leidet das Teilnehmerfeld ziemlich massiv unter dieser unorthodoxen Neuansetzung des Turniers. Bei fast allen Topnationen fehlen zahlreiche der bestmöglichen Spieler, so dass unter Scouts von einer «B-WM» geflachst wird, weil die Roster der Top-Nationen teilweise einem B-Kader gleichen. Dies ist die Chance für die «Kleinen», sich bei diesem Turnier resultatmässig zu profilieren. Leider nimmt diese Chance von den «Kleinen» nur die Schweiz wahr, denn bei der Schweiz fehlt mehr oder weniger nur ein einziger Topshot, Lian Bichsel. Die Deutschen und die Slowaken müssen hingegen ohne ihre zahlreichen Star-Talente auskommen, sie haben sich gegen diese Sommer-WM entschieden und bereiten sich anderweitig auf die NHL-Saison vor. Jammerschade, denn Deutschland und vor allem die Slowakei wären mit ihren besten Spielern in diesem dezimierten Teilnehmerfeld Medaillenkandidaten gewesen. Aus Turnierperspektive ist es ein Vorteil für die Schweiz, dass wir keine – oder fast keine – Spieler haben, bei denen in der kommenden Saison die NHL im Fokus steht. Der langen Worte kurzer Sinn: Ich erwarte gute, positive Resultate unserer U20-Auswahl an dieser WM, ordne diese aber auch entsprechend relativierend ein, weil ich genau weiss, gegen was für Kader der gegnerischen Mannschaften sie zustande kommen. In diesem Sinne empfehle ich allen Hockeyfans, sich die Übertragungen auf MySports anzuschauen. Unsere Auswahl wird gegen jeden Gegner kompetitiv sein. Im Vorfeld dieser U20-WM gab es aus Schweizer Sicht hoffnungsvolle Resultate, z.B. ein Sieg gegen Tschechien, aber andererseits auch z.B. eine Niederlage n.P. gegen die finnische U19. 

Wie gut sind die Schweizer Jahrgänge U20, U18 und U17?

U18

Ich nehme es vorneweg: Ich erwarte aus heutiger Sicht nicht, dass das blamable Schweizer Draftergebnis 2022 im nächsten Jahr merklich besser ausfällt. Da müsste in der Entwicklung unserer U18-Spieler in den nächsten zehn Monaten sehr viel passieren, was einerseits nicht unmöglich, aber andererseits halt doch unwahrscheinlich ist. Die Spiele in Davos gegen einen durchschnittlichen tschechischen Jahrgang waren enttäuschend und das schlechte Abschneiden am Hlinka/Gretzky-Memorial Turnier mit der peinlichen 0:14-Niederlage gegen Kanada (0:8 nach dem ersten Drittel) war leider nicht soooo überraschend. Immerhin resultierte am Schluss gegen Deutschland ein Sieg. Trotzdem: Kritisch analysiert ist es zum wiederholten Male der letzte Platz am Hlinka/Gretzky-Turnier, denn Deutschland hat nur darum teilgenommen, weil die Russen gesperrt waren. Ich bin aber überzeugt, dass vom jetzigen U17-Jahrgang einige Spieler dieses Schweizer U18-Team verstärken können, ja müssen. 

Wie gut sind die Schweizer Jahrgänge U20, U18 und U17?

Zur besseren Einschätzung des Hlinka/Gretzky U18-Turniers: Es ist jeweils das einzige U18-Turnier, bei dem Kanada mit allen ihren bestmöglichen Spielern antritt. Ok, in diesem Jahr hat mit Connor Bedard der Ueberflieger gefehlt, er wird wahrscheinlich bereits mit der U20 an der WM spielen. Auch Schweden, Finnland und Tschechien sind bei diesem Turnier in aller Regel komplett, wie auch die Slowakei. Just aber bei den Slowaken fehlten in diesem Jahr einige Spieler, allen voran die beiden Top-Shots mit dem erwarteten Top10-Pick Dalibor Dvorsky. Nie mit den besten Talenten an diesem Turnier zeigen sich die USA. Am Gretzky/Hlinka Memorial fehlen immer die Talente aus der NTDP-Auswahl, d.h. 90% der besten US-Talente sind im NTDP-Programm integriert, so dass es sich beim Gretzky/Hlinka Memorial jeweils um eine so genannte B-Auswahl der US-Amerikaner handelt. Schade auch, dass Russland gefehlt hat, denn die Russen hätten mit dem Jahrgang 2005 die beste europäische U18-Auswahl gestellt und ein Duell mit Kanada wäre hoch interessant gewesen. 

Die bisherigen Leistungen unserer U18-Auswahl stimmen mich hinsichtlich der Heim-WM im April in Basel und Ajoie nachdenklich und nur der Ausschluss von Russland und Belarus entledigt uns von Abstiegssorgen. Ähnlich düster schaut es in diesem Jahrgang mit Deutschland aus. Auch bei den Deutschen muss im Verlaufe der Saison eine markante Steigerung erfolgen, wollen sie beim nächsten Draft nicht mit leeren Taschen dastehen. Leicht relativierend: Bei den Deutschen fehlten zwei ihrer besten Spieler (Vinzens, Tropmann) in diesem Jahrgang. Beide gehen aber auf Grund ihres späten Geburtstages erst 2024 in den NHL Draft. Auch ihr bester Verteidiger Paul Mayer – er hat in Red Deer gespielt – geht aus demselben Grund ebenfalls erst 2024 in den NHL-Draft. Der langen Worte kurzer Sinn: Die Schweiz und Deutschland werden auch im nächsten NHL-Draft einen sehr schweren Stand haben, für 2024 schaut es hingegen besser aus.

U17

Ein Lichtblick am Schweizer Hockey-Horizont ist der Jahrgang 2006. Aus heutiger Sicht kann ich zwar noch nicht von «High-End-Talenten» sprechen, es gibt aber in diesem Jahrgang eine Handvoll Spieler, die für den Draft auf die «Players to Watch» List kommen; Talente mit immerhin Mid- oder Late Round Potential.