Die Swiss League vor einer ungewissen Zukunft

Auch wenn ich in einem nebelverhangenen Ort mit einer in vielen Belangen äusserst negativ eingestellten Bevölkerung aufgewachsen bin und noch immer dort lebe, versuche ich vielleicht gerade deswegen immer und überall zuerst das Blaue am Himmel zu sehen. Bei den aktuellen Entwicklungen des Schweizer Hockeys wünschte ich mir gleichwohl manchmal, dass ich aus einem bösen Traum erwache. Als ob die Corona-Pandemie nicht schon genug wäre, spielen unsere Hockeyfunktionäre länger wie verrückter. Beinahe alle von denen ich lese oder mit denen ich spreche, die die Sportart Eishockey lieben, kommen zu diesem Schluss. Denn wer beim Führen des Hockeys gleich vorgehen will, wie er es in Wirtschaftsbranchen tun würde, hat die Sportart Hockey nicht ganz verstanden. So viel als Prolog.

Das hässliche Entlein

Die National League hat im Sommer eine neue AG gegründet, die Swiss League anfangs Dezember. Während zurzeit vor allem die Ideen der National League zu reden geben und teilweise auch schon als sakrosankt angesehen werden, wird selten in der grösseren Öffentlichkeit über die neue Ausgangslage der Swiss League diskutiert. Es wäre komisch, wäre es plötzlich so. Die Swiss League ist seit Jahren das hässliche Entlein, ein lästiges Anhängsel, das wie ein Hautflecken zwar zum eigenen Erscheinungsbild gehört, man sich davon aber lieber entledigen würde. Klar, kein National League Verantwortlicher würde eine solche Aussage unterschreiben. Zu viele Hinweise liegen dafür aber seit Jahren auf dem Tisch. Seit Neustem versuchen die NL-Vereine diese schon gar nicht mehr zu kaschieren. Mit der Geheimsitzung im Emmental im Sommer 2020 haben sie offen mit dem Rest der Hockeyschweiz und insbesondere der Swiss League gebrochen. Ist die Reaktion der Swiss League nun revolutionär und erfolgsversprechend? Es darf bezweifelt werden. Gleichzeitig wurde die National League damit ein wenig auf dem falschen Fuss erwischt. Nur so sind die negativen Voten von NL-Verantwortlichen zu erklären, als die führenden SL-Vereine um Langenthal und Olten ohne die Farmteams einzuladen eine informelle Sitzung abhielten und rasch bekannt gaben, dass in Zukunft die Aufnahmekriterien in die Swiss League neu definiert werden würden.

Endlich so, wie gewünscht

Wie angedeutet: Man kann die SL-Clubs ebenfalls für verrückt erklären. Dass sie sich mit dieser Abspaltung einen Gefallen tun, ist zu bezweifeln. Im Idealfall hätten sie mit der Regio League und dem Verband zusammengespannt. Nur, zumindest vom Verband kamen keine Annäherungszeichen. Das wäre allerdings das Mindeste gewesen, damit sich das hässliche Entlein Swiss League zumindest im Ansatz endlich verstanden gefühlt hätte. Damit wäre ausserdem klar gemacht worden, dass die NL-Clubs mit ihrem Alleingang definitiv nicht im Interesse des Schweizer Hockeys handeln, sondern nur in ihrem eigenen. Die grösste Absurdität dabei ist im Übrigen, dass alle NL-Absteiger der vergangenen Jahre rasch erkannten – inklusive Fans – wie falsch die NL-Vereine mit der Swiss League umgehen und eben nur Eigeninteressen vertreten. Allerdings, kaum sind diese Vereine (wieder) in der National League, scheinen sie die vermeintlichen Lehren wieder vergessen zu haben oder haben sonst einfach nicht den Mumm, hin zustehen und gegenüber den anderen Clubs Tacheles zu reden. Das Erste bedeutete: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern. Das Zweite wäre schlicht und einfach beschämend.
Die letzten, grossen Reformbemühungen wurden 2014 von den SL-Clubs unternommen. Ohne Chance. Die SL-Clubs setzten sich für eine grössere Durchlässigkeit ein. Es bestand auch die Idee von zwei Zehnerligen. Ein heutiger NL-Sportchef forderte einst in einem Streitgespräch einen SL-Vertreter dazu auf, Ideen zu bringen, statt nur zu jammern. Als er die eben erwähnten Ideen einbrachte, meinte der NL-Sportchef, dass das Utopien sein. Das Tragische am Ganzen? Der heutige NL-Sportchef war früher mehrere Jahre Sportchef in der Swiss League. Dieses Fallbeispiel zeigt die (angelernte, wenn auch versteckte) Überheblichkeit von NL-Verantwortlichen gegenüber der Swiss League auf: Macht Reformvorschläge, aber nur solche, die uns passen, alles andere könnt ihr gleich sein lassen. Ein Reformvorschlag, der diversen NL-Vereinen schon lange passt, haben diese jetzt während der Pandemie in die Wege geleitet, nämlich die National League de facto zu schliessen.

Eine kleine Welt bricht zusammen

Welche Reaktionsmöglichkeiten hatte die Swiss League also? Von der National League noch nie ernst genommen und vom Verband kein Zeichen der Anerkennung erhalten – eine schwierige Ausgangslage für die einst, vermeintlich beste zweite Hockeyliga Europas. Die Swiss League wagt nun also den Weg in die Selbstständigkeit, will sich selber vermarkten. Dies ist keine neue Idee. In Schweden funktioniert das beispielsweise, allerdings ohne Farmteams. Und genau deshalb möchte die Swiss League am liebsten die Farmteams mit Traditionsvereinen ersetzen – leider nicht auf dem sportlichen, sondern dem pekuniären Weg. Im Vergleich zu Schweden ist Hockey in der Schweiz allerdings nicht derart gross und ausserdem – und das ist entscheidend – sind die Ligen dort nicht zerstritten. Der sportliche Auf- und Abstieg existiert dort noch und funktioniert. Welches Land jetzt mehr Hockeykompetenz an den Tag legt, diese Beurteilung überlasse ich anderen.
Unabhängig davon: Die Swiss League wagt einen Schritt, den sie vielleicht besser schon vor ein paar Jahren hätte wagen sollen. So hätte die National League nämlich überrascht werden können und man wäre womöglich an einem runden Tisch wieder zusammengekommen, man wäre als Swiss League endlich angehört worden und man hätte womöglich Lösungen im Sinne des Hockeys versucht zu finden. Mit der Platzierung von weiteren Farmteams ist die NL dem dann zuvorgekommen und mit Sommer 2020 wurden all meine Hoffnungen zerstört, dass ein gutes Produkt, welches eine starke NL und eine starke SL beinhaltet, inklusive Durchlässigkeiten zwischen NL, SL und MySports League uns noch über Jahre hinweg Freude bereiten wird. Als einer, der mit der Swiss League das Hockey lieben gelernt hat, bricht nun eine kleine Welt zusammen. Ich bleibe wider besseres Wissen – weil ich ganz einfach auch nicht anders will und kann – aber zweckoptimistisch, dass wir noch lange hochklassiges Eishockey in der Schweiz sehen werden, auch in der Swiss League. Auf eine glorreiche Zukunft zu hoffen mit der aktuellen Ausgangslage, das tun gleichwohl nur Träumer. Das Schlimmste daran? Corona hat damit wenig zu tun.